nem Munde nach der aufgehenden Thüre sehend. Unter dieser stand der fremde Pankrazius mit dem dürren und harten Ernste eines fremden Kriegsmannes, nur zuckte es ihm seltsam um die Augen, indessen die Mutter erzitterte bei sei¬ nem Anblick und sich nicht zu helfen wußte und selbst Estherchen zum ersten Mal gänzlich ver¬ blüfft war und sich nicht zu regen wagte. Doch alles dies dauerte nur einen Augenblick; der Herr Oberst, denn nichts Geringeres war der verlorne Sohn, nahm mit der Höflichkeit und Achtung, welche ihn die wilde Noth des Lebens gelehrt, sogleich die Mütze ab, was er nie ge¬ than, wenn er früher in die Stube getreten; eine unaussprechliche Freundlichkeit, wenigstens wie es den Frauen vorkam, die ihn nie freund¬ lich gesehen noch also denken konnten, verbreitete sich über das gefurchte und doch noch nicht alte Soldatengesicht und ließ schneeweiße Zähne sehen, als er auf sie zueilte und beide mit ausbrechen¬ dem Herzensweh in die Arme schloß.
Hatte die Mutter erst vor dem martialischen und vermeintlich immer noch bösen Sohne son¬ derbar gezittert, so zitterte sie jetzt erst recht in
nem Munde nach der aufgehenden Thüre ſehend. Unter dieſer ſtand der fremde Pankrazius mit dem dürren und harten Ernſte eines fremden Kriegsmannes, nur zuckte es ihm ſeltſam um die Augen, indeſſen die Mutter erzitterte bei ſei¬ nem Anblick und ſich nicht zu helfen wußte und ſelbſt Eſtherchen zum erſten Mal gänzlich ver¬ blüfft war und ſich nicht zu regen wagte. Doch alles dies dauerte nur einen Augenblick; der Herr Oberſt, denn nichts Geringeres war der verlorne Sohn, nahm mit der Höflichkeit und Achtung, welche ihn die wilde Noth des Lebens gelehrt, ſogleich die Mütze ab, was er nie ge¬ than, wenn er früher in die Stube getreten; eine unausſprechliche Freundlichkeit, wenigſtens wie es den Frauen vorkam, die ihn nie freund¬ lich geſehen noch alſo denken konnten, verbreitete ſich über das gefurchte und doch noch nicht alte Soldatengeſicht und ließ ſchneeweiße Zähne ſehen, als er auf ſie zueilte und beide mit ausbrechen¬ dem Herzensweh in die Arme ſchloß.
Hatte die Mutter erſt vor dem martialiſchen und vermeintlich immer noch böſen Sohne ſon¬ derbar gezittert, ſo zitterte ſie jetzt erſt recht in
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0038"n="26"/>
nem Munde nach der aufgehenden Thüre ſehend.<lb/>
Unter dieſer ſtand der fremde Pankrazius mit<lb/>
dem dürren und harten Ernſte eines fremden<lb/>
Kriegsmannes, nur zuckte es ihm ſeltſam um<lb/>
die Augen, indeſſen die Mutter erzitterte bei ſei¬<lb/>
nem Anblick und ſich nicht zu helfen wußte und<lb/>ſelbſt Eſtherchen zum erſten Mal gänzlich ver¬<lb/>
blüfft war und ſich nicht zu regen wagte. Doch<lb/>
alles dies dauerte nur einen Augenblick; der<lb/>
Herr Oberſt, denn nichts Geringeres war der<lb/>
verlorne Sohn, nahm mit der Höflichkeit und<lb/>
Achtung, welche ihn die wilde Noth des Lebens<lb/>
gelehrt, ſogleich die Mütze ab, was er nie ge¬<lb/>
than, wenn er früher in die Stube getreten;<lb/>
eine unausſprechliche Freundlichkeit, wenigſtens<lb/>
wie es den Frauen vorkam, die ihn nie freund¬<lb/>
lich geſehen noch alſo denken konnten, verbreitete<lb/>ſich über das gefurchte und doch noch nicht alte<lb/>
Soldatengeſicht und ließ ſchneeweiße Zähne ſehen,<lb/>
als er auf ſie zueilte und beide mit ausbrechen¬<lb/>
dem Herzensweh in die Arme ſchloß.</p><lb/><p>Hatte die Mutter erſt vor dem martialiſchen<lb/>
und vermeintlich immer noch böſen Sohne ſon¬<lb/>
derbar gezittert, ſo zitterte ſie jetzt erſt recht in<lb/></p></div></body></text></TEI>
[26/0038]
nem Munde nach der aufgehenden Thüre ſehend.
Unter dieſer ſtand der fremde Pankrazius mit
dem dürren und harten Ernſte eines fremden
Kriegsmannes, nur zuckte es ihm ſeltſam um
die Augen, indeſſen die Mutter erzitterte bei ſei¬
nem Anblick und ſich nicht zu helfen wußte und
ſelbſt Eſtherchen zum erſten Mal gänzlich ver¬
blüfft war und ſich nicht zu regen wagte. Doch
alles dies dauerte nur einen Augenblick; der
Herr Oberſt, denn nichts Geringeres war der
verlorne Sohn, nahm mit der Höflichkeit und
Achtung, welche ihn die wilde Noth des Lebens
gelehrt, ſogleich die Mütze ab, was er nie ge¬
than, wenn er früher in die Stube getreten;
eine unausſprechliche Freundlichkeit, wenigſtens
wie es den Frauen vorkam, die ihn nie freund¬
lich geſehen noch alſo denken konnten, verbreitete
ſich über das gefurchte und doch noch nicht alte
Soldatengeſicht und ließ ſchneeweiße Zähne ſehen,
als er auf ſie zueilte und beide mit ausbrechen¬
dem Herzensweh in die Arme ſchloß.
Hatte die Mutter erſt vor dem martialiſchen
und vermeintlich immer noch böſen Sohne ſon¬
derbar gezittert, ſo zitterte ſie jetzt erſt recht in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/38>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.