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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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die ganze Welt in den Wind zu schlagen und
uns dafür zu lieben ohne Hinderniß und Schran¬
ken!" Er sagte es aber mehr als einen ver¬
zweifelten Scherz, denn im Ernst. Vrenchen aber
erwiederte ganz treuherzig und küßte ihn: "Nein,
dahin möchte ich nicht gehen, denn da geht es
auch nicht nach meinem Sinne zu. Der junge
Mensch mit dem Waldhorn und das Mädchen
in dem seidenen Rock gehören auch so zu einan¬
der und sollen sehr verliebt gewesen sein. Nun
sei letzte Woche die Person ihm zum ersten Mal
untreu geworden, was ihm nicht in den Kopf
wolle und deshalb sei er so traurig und schmolle
mit ihr und mit den Andern, die ihn auslachen.
Sie aber thut eine muthwillige Buße, indem sie
allein tanzt und mit Niemand spricht, und lacht
ihn auch nur aus damit. Dem armen Musi¬
kanten sieht man es jedoch an, daß er sich noch
heute mit ihr versöhnen wird. Wo es aber so
hergeht, möchte ich nicht sein, denn nie möcht'
ich Dir untreu werden, wenn ich auch sonst noch
alles ertragen würde, um Dich zu besitzen!"
Indessen aber fieberte das arme Vrenchen immer
heftiger an Salis Brust; denn schon seit dem

die ganze Welt in den Wind zu ſchlagen und
uns dafür zu lieben ohne Hinderniß und Schran¬
ken!« Er ſagte es aber mehr als einen ver¬
zweifelten Scherz, denn im Ernſt. Vrenchen aber
erwiederte ganz treuherzig und küßte ihn: »Nein,
dahin möchte ich nicht gehen, denn da geht es
auch nicht nach meinem Sinne zu. Der junge
Menſch mit dem Waldhorn und das Mädchen
in dem ſeidenen Rock gehören auch ſo zu einan¬
der und ſollen ſehr verliebt geweſen ſein. Nun
ſei letzte Woche die Perſon ihm zum erſten Mal
untreu geworden, was ihm nicht in den Kopf
wolle und deshalb ſei er ſo traurig und ſchmolle
mit ihr und mit den Andern, die ihn auslachen.
Sie aber thut eine muthwillige Buße, indem ſie
allein tanzt und mit Niemand ſpricht, und lacht
ihn auch nur aus damit. Dem armen Muſi¬
kanten ſieht man es jedoch an, daß er ſich noch
heute mit ihr verſöhnen wird. Wo es aber ſo
hergeht, möchte ich nicht ſein, denn nie möcht'
ich Dir untreu werden, wenn ich auch ſonſt noch
alles ertragen würde, um Dich zu beſitzen!«
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[345/0357] die ganze Welt in den Wind zu ſchlagen und uns dafür zu lieben ohne Hinderniß und Schran¬ ken!« Er ſagte es aber mehr als einen ver¬ zweifelten Scherz, denn im Ernſt. Vrenchen aber erwiederte ganz treuherzig und küßte ihn: »Nein, dahin möchte ich nicht gehen, denn da geht es auch nicht nach meinem Sinne zu. Der junge Menſch mit dem Waldhorn und das Mädchen in dem ſeidenen Rock gehören auch ſo zu einan¬ der und ſollen ſehr verliebt geweſen ſein. Nun ſei letzte Woche die Perſon ihm zum erſten Mal untreu geworden, was ihm nicht in den Kopf wolle und deshalb ſei er ſo traurig und ſchmolle mit ihr und mit den Andern, die ihn auslachen. Sie aber thut eine muthwillige Buße, indem ſie allein tanzt und mit Niemand ſpricht, und lacht ihn auch nur aus damit. Dem armen Muſi¬ kanten ſieht man es jedoch an, daß er ſich noch heute mit ihr verſöhnen wird. Wo es aber ſo hergeht, möchte ich nicht ſein, denn nie möcht' ich Dir untreu werden, wenn ich auch ſonſt noch alles ertragen würde, um Dich zu beſitzen!« Indeſſen aber fieberte das arme Vrenchen immer heftiger an Salis Bruſt; denn ſchon ſeit dem

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/357>, abgerufen am 23.11.2024.