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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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tanzen. Aber jedesmal, wenn sie ein Weilchen
getrennt gewesen, flogen sie zusammen und fei¬
erten ein Wiedersehen, als ob sie sich Jahre
lang gesucht und endlich gefunden. Sali machte
ein trauriges und unmuthiges Gesicht wenn er
mit einer Andern tanzte und drehte fortwährend
das Gesicht nach Vrenchen hin, welches ihn
nicht ansah, wenn es vorüberdrehte, glühte wie
eine Purpurrose und überglücklich schien, mit
wem es auch tanzte. "Bist Du eifersüchtig,
Sali?" fragte es ihn, als die Musikanten müde
waren und aufhörten. "Gott bewahre!" sagte
er, "ich wüßte nicht, wie ich es anfangen sollte!"
"Warum bist Du denn so bös, wenn ich mit
Andern tanze?" "Ich bin nicht darüber bös,
sondern weil ich mit Andern tanzen muß! Ich
kann kein anderes Mädchen ausstehen, es ist mir,
als wenn ich ein Stück Holz im Arm habe,
wenn Du es nicht bist!" "Und Du? wie
geht es Dir?" "O, ich bin immer wie im
Himmel, wenn ich nur tanze und weiß, daß Du
zugegen bist! Aber ich glaube, ich würde so¬
gleich todt umfallen, wenn Du weggingest und
mich da ließest!" Sie waren hinabgegangen

tanzen. Aber jedesmal, wenn ſie ein Weilchen
getrennt geweſen, flogen ſie zuſammen und fei¬
erten ein Wiederſehen, als ob ſie ſich Jahre
lang geſucht und endlich gefunden. Sali machte
ein trauriges und unmuthiges Geſicht wenn er
mit einer Andern tanzte und drehte fortwährend
das Geſicht nach Vrenchen hin, welches ihn
nicht anſah, wenn es vorüberdrehte, glühte wie
eine Purpurroſe und überglücklich ſchien, mit
wem es auch tanzte. »Biſt Du eiferſüchtig,
Sali?« fragte es ihn, als die Muſikanten müde
waren und aufhörten. »Gott bewahre!« ſagte
er, »ich wüßte nicht, wie ich es anfangen ſollte!«
»Warum biſt Du denn ſo bös, wenn ich mit
Andern tanze?« »Ich bin nicht darüber bös,
ſondern weil ich mit Andern tanzen muß! Ich
kann kein anderes Mädchen ausſtehen, es iſt mir,
als wenn ich ein Stück Holz im Arm habe,
wenn Du es nicht biſt!« »Und Du? wie
geht es Dir?« »O, ich bin immer wie im
Himmel, wenn ich nur tanze und weiß, daß Du
zugegen biſt! Aber ich glaube, ich würde ſo¬
gleich todt umfallen, wenn Du weggingeſt und
mich da ließeſt!« Sie waren hinabgegangen

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[340/0352] tanzen. Aber jedesmal, wenn ſie ein Weilchen getrennt geweſen, flogen ſie zuſammen und fei¬ erten ein Wiederſehen, als ob ſie ſich Jahre lang geſucht und endlich gefunden. Sali machte ein trauriges und unmuthiges Geſicht wenn er mit einer Andern tanzte und drehte fortwährend das Geſicht nach Vrenchen hin, welches ihn nicht anſah, wenn es vorüberdrehte, glühte wie eine Purpurroſe und überglücklich ſchien, mit wem es auch tanzte. »Biſt Du eiferſüchtig, Sali?« fragte es ihn, als die Muſikanten müde waren und aufhörten. »Gott bewahre!« ſagte er, »ich wüßte nicht, wie ich es anfangen ſollte!« »Warum biſt Du denn ſo bös, wenn ich mit Andern tanze?« »Ich bin nicht darüber bös, ſondern weil ich mit Andern tanzen muß! Ich kann kein anderes Mädchen ausſtehen, es iſt mir, als wenn ich ein Stück Holz im Arm habe, wenn Du es nicht biſt!« »Und Du? wie geht es Dir?« »O, ich bin immer wie im Himmel, wenn ich nur tanze und weiß, daß Du zugegen biſt! Aber ich glaube, ich würde ſo¬ gleich todt umfallen, wenn Du weggingeſt und mich da ließeſt!« Sie waren hinabgegangen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/352>, abgerufen am 22.11.2024.