Sali trank und that ihm Bescheid. Als der Geiger sah, wie erschrocken Vrenchen war, suchte er ihm freundlich zuzureden und machte einige fast anmuthige Scherze, die es zum Lachen brach¬ ten. Es ermunterte sich wieder und nun waren sie froh, hier einen Bekannten zu haben und gewissermaßen unter dem besonderen Schutze des Geigers zu stehen. Sie tanzten nun ohne Un¬ terlaß, sich und die Welt vergessend in dem Drehen, Singen und Lärmen, welches in und außer dem Hause rumorte und vom Berge weit in die Gegend hinausschallte, welche sich allmälig in den silbernen Duft des Herbstabends hüllte. Sie tanzten bis es dunkelte und der größere Theil der lustigen Gäste sich schwankend und johlend nach allen Seiten entfernte. Was noch zurückblieb, war das eigentliche Hudelvölkchen, welches nirgends zu Hause war und sich zum gu¬ ten Tag auch noch eine gute Nacht machen wollte. Unter diesen waren einige, welche mit dem Gei¬ ger gut bekannt schienen und fremdartig aussahen in ihrer zusammengewürfelten Tracht. Besonders ein junger Bursche fiel auf, der eine grüne Manchesterjacke trug und einen zerknitterten
Keller, die Leute von Seldwyla. 22
Sali trank und that ihm Beſcheid. Als der Geiger ſah, wie erſchrocken Vrenchen war, ſuchte er ihm freundlich zuzureden und machte einige faſt anmuthige Scherze, die es zum Lachen brach¬ ten. Es ermunterte ſich wieder und nun waren ſie froh, hier einen Bekannten zu haben und gewiſſermaßen unter dem beſonderen Schutze des Geigers zu ſtehen. Sie tanzten nun ohne Un¬ terlaß, ſich und die Welt vergeſſend in dem Drehen, Singen und Lärmen, welches in und außer dem Hauſe rumorte und vom Berge weit in die Gegend hinausſchallte, welche ſich allmälig in den ſilbernen Duft des Herbſtabends hüllte. Sie tanzten bis es dunkelte und der größere Theil der luſtigen Gäſte ſich ſchwankend und johlend nach allen Seiten entfernte. Was noch zurückblieb, war das eigentliche Hudelvölkchen, welches nirgends zu Hauſe war und ſich zum gu¬ ten Tag auch noch eine gute Nacht machen wollte. Unter dieſen waren einige, welche mit dem Gei¬ ger gut bekannt ſchienen und fremdartig ausſahen in ihrer zuſammengewürfelten Tracht. Beſonders ein junger Burſche fiel auf, der eine grüne Mancheſterjacke trug und einen zerknitterten
Keller, die Leute von Seldwyla. 22
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0349"n="337"/>
Sali trank und that ihm Beſcheid. Als der<lb/>
Geiger ſah, wie erſchrocken Vrenchen war, ſuchte<lb/>
er ihm freundlich zuzureden und machte einige<lb/>
faſt anmuthige Scherze, die es zum Lachen brach¬<lb/>
ten. Es ermunterte ſich wieder und nun waren<lb/>ſie froh, hier einen Bekannten zu haben und<lb/>
gewiſſermaßen unter dem beſonderen Schutze des<lb/>
Geigers zu ſtehen. Sie tanzten nun ohne Un¬<lb/>
terlaß, ſich und die Welt vergeſſend in dem<lb/>
Drehen, Singen und Lärmen, welches in und<lb/>
außer dem Hauſe rumorte und vom Berge weit<lb/>
in die Gegend hinausſchallte, welche ſich allmälig<lb/>
in den ſilbernen Duft des Herbſtabends hüllte.<lb/>
Sie tanzten bis es dunkelte und der größere<lb/>
Theil der luſtigen Gäſte ſich ſchwankend und<lb/>
johlend nach allen Seiten entfernte. Was noch<lb/>
zurückblieb, war das eigentliche Hudelvölkchen,<lb/>
welches nirgends zu Hauſe war und ſich zum gu¬<lb/>
ten Tag auch noch eine gute Nacht machen wollte.<lb/>
Unter dieſen waren einige, welche mit dem Gei¬<lb/>
ger gut bekannt ſchienen und fremdartig ausſahen<lb/>
in ihrer zuſammengewürfelten Tracht. Beſonders<lb/>
ein junger Burſche fiel auf, der eine grüne<lb/>
Mancheſterjacke trug und einen zerknitterten<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Keller, die Leute von Seldwyla. 22<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[337/0349]
Sali trank und that ihm Beſcheid. Als der
Geiger ſah, wie erſchrocken Vrenchen war, ſuchte
er ihm freundlich zuzureden und machte einige
faſt anmuthige Scherze, die es zum Lachen brach¬
ten. Es ermunterte ſich wieder und nun waren
ſie froh, hier einen Bekannten zu haben und
gewiſſermaßen unter dem beſonderen Schutze des
Geigers zu ſtehen. Sie tanzten nun ohne Un¬
terlaß, ſich und die Welt vergeſſend in dem
Drehen, Singen und Lärmen, welches in und
außer dem Hauſe rumorte und vom Berge weit
in die Gegend hinausſchallte, welche ſich allmälig
in den ſilbernen Duft des Herbſtabends hüllte.
Sie tanzten bis es dunkelte und der größere
Theil der luſtigen Gäſte ſich ſchwankend und
johlend nach allen Seiten entfernte. Was noch
zurückblieb, war das eigentliche Hudelvölkchen,
welches nirgends zu Hauſe war und ſich zum gu¬
ten Tag auch noch eine gute Nacht machen wollte.
Unter dieſen waren einige, welche mit dem Gei¬
ger gut bekannt ſchienen und fremdartig ausſahen
in ihrer zuſammengewürfelten Tracht. Beſonders
ein junger Burſche fiel auf, der eine grüne
Mancheſterjacke trug und einen zerknitterten
Keller, die Leute von Seldwyla. 22
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/349>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.