Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.ches mit Zuckerguß freundlich geweißt war, mit Tritt in mein Haus, o Liebste! Doch sei Dir unverhehlt: Drin wird allein nach Küssen Gerechnet und gezählt. Die Liebste sprach: O Liebster, "Mich schrecket nichts zurück!" "Hab' Alles wohl erwogen:" "In Dir nur lebt mein Glück!" "Und wenn ich's recht bedenke," "Kam ich deswegen auch!" Nun denn, spazier' mit Segen Herein und üb' den Brauch! ches mit Zuckerguß freundlich geweißt war, mit Tritt in mein Haus, o Liebſte! Doch ſei Dir unverhehlt: Drin wird allein nach Küſſen Gerechnet und gezählt. Die Liebſte ſprach: O Liebſter, »Mich ſchrecket nichts zurück!« »Hab' Alles wohl erwogen:« »In Dir nur lebt mein Glück!« »Und wenn ich's recht bedenke,« »Kam ich deswegen auch!« Nun denn, ſpazier' mit Segen Herein und üb' den Brauch! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0340" n="328"/> ches mit Zuckerguß freundlich geweißt war, mit<lb/> einem grünen Dach, auf welchem weiße Tauben<lb/> ſaßen und aus deſſen Schornſtein ein Amörchen<lb/> guckte als Kaminfeger; an den offenen Fenſtern<lb/> umarmten ſich pausbäckige Leutchen mit winzig<lb/> kleinen rothen Mündchen, die ſich recht eigentlich<lb/> küßten, da der flüchtige praktiſche Maler mit<lb/> einem Kleckschen gleich zwei Mündchen gemacht,<lb/> die ſo in einander verfloſſen. Schwarze Pünkt¬<lb/> chen ſtellten muntere Äuglein vor. Auf der<lb/> roſenrothen Hausthür aber waren dieſe Verſe<lb/> zu leſen:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Tritt in mein Haus, o Liebſte!</l><lb/> <l>Doch ſei Dir unverhehlt:</l><lb/> <l>Drin wird allein nach Küſſen</l><lb/> <l>Gerechnet und gezählt.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Die Liebſte ſprach: O Liebſter,</l><lb/> <l>»Mich ſchrecket nichts zurück!«</l><lb/> <l>»Hab' Alles wohl erwogen:«</l><lb/> <l>»In Dir nur lebt mein Glück!«</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>»Und wenn ich's recht bedenke,«</l><lb/> <l>»Kam ich deswegen auch!«</l><lb/> <l>Nun denn, ſpazier' mit Segen</l><lb/> <l>Herein und üb' den Brauch!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [328/0340]
ches mit Zuckerguß freundlich geweißt war, mit
einem grünen Dach, auf welchem weiße Tauben
ſaßen und aus deſſen Schornſtein ein Amörchen
guckte als Kaminfeger; an den offenen Fenſtern
umarmten ſich pausbäckige Leutchen mit winzig
kleinen rothen Mündchen, die ſich recht eigentlich
küßten, da der flüchtige praktiſche Maler mit
einem Kleckschen gleich zwei Mündchen gemacht,
die ſo in einander verfloſſen. Schwarze Pünkt¬
chen ſtellten muntere Äuglein vor. Auf der
roſenrothen Hausthür aber waren dieſe Verſe
zu leſen:
Tritt in mein Haus, o Liebſte!
Doch ſei Dir unverhehlt:
Drin wird allein nach Küſſen
Gerechnet und gezählt.
Die Liebſte ſprach: O Liebſter,
»Mich ſchrecket nichts zurück!«
»Hab' Alles wohl erwogen:«
»In Dir nur lebt mein Glück!«
»Und wenn ich's recht bedenke,«
»Kam ich deswegen auch!«
Nun denn, ſpazier' mit Segen
Herein und üb' den Brauch!
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Zitationshilfe: | Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/340>, abgerufen am 16.02.2025. |