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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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indessen lang und gemächlich am Tische, wie wenn
sie zögerten und sich scheuten, aus der holden
Täuschung herauszugehen. Die Wirthin brachte
zum Nachtisch süßes Backwerk und Sali bestellte
feineren und stärkeren Wein dazu, welcher Vren¬
chen feurig durch die Adern rollte, als es ein
wenig davon trank; aber es nahm sich in Acht,
nippte blos zuweilen und saß so züchtig und
verschämt da, wie eine wirkliche Braut. Halb
spielte es aus Schalkheit diese Rolle und aus
Lust, zu versuchen, wie es thue, halb war es
ihm in der That so zu Muth und vor Bangig¬
keit und heißer Liebe wollte ihm das Herz bre¬
chen, so daß es ihm zu eng ward innerhalb der
vier Wände und es zu gehen begehrte. Es war
als ob sie sich scheuten, auf dem Wege wieder
so abseits und allein zu sein, denn sie gingen
unverabredet auf der Hauptstraße weiter, mitten
durch die Leute und sahen weder rechts noch
links. Als sie aber aus dem Dorfe waren und
auf das nächstgelegene zugingen, wo Kirchweih
war, hing sich Vrenchen an Sali's Arm und
flüsterte mit zitternden Worten: "Sali! warum
sollen wir uns nicht haben und glücklich sein!"

indeſſen lang und gemächlich am Tiſche, wie wenn
ſie zögerten und ſich ſcheuten, aus der holden
Täuſchung herauszugehen. Die Wirthin brachte
zum Nachtiſch ſüßes Backwerk und Sali beſtellte
feineren und ſtärkeren Wein dazu, welcher Vren¬
chen feurig durch die Adern rollte, als es ein
wenig davon trank; aber es nahm ſich in Acht,
nippte blos zuweilen und ſaß ſo züchtig und
verſchämt da, wie eine wirkliche Braut. Halb
ſpielte es aus Schalkheit dieſe Rolle und aus
Luſt, zu verſuchen, wie es thue, halb war es
ihm in der That ſo zu Muth und vor Bangig¬
keit und heißer Liebe wollte ihm das Herz bre¬
chen, ſo daß es ihm zu eng ward innerhalb der
vier Wände und es zu gehen begehrte. Es war
als ob ſie ſich ſcheuten, auf dem Wege wieder
ſo abſeits und allein zu ſein, denn ſie gingen
unverabredet auf der Hauptſtraße weiter, mitten
durch die Leute und ſahen weder rechts noch
links. Als ſie aber aus dem Dorfe waren und
auf das nächſtgelegene zugingen, wo Kirchweih
war, hing ſich Vrenchen an Sali's Arm und
flüſterte mit zitternden Worten: »Sali! warum
ſollen wir uns nicht haben und glücklich ſein!«

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[326/0338] indeſſen lang und gemächlich am Tiſche, wie wenn ſie zögerten und ſich ſcheuten, aus der holden Täuſchung herauszugehen. Die Wirthin brachte zum Nachtiſch ſüßes Backwerk und Sali beſtellte feineren und ſtärkeren Wein dazu, welcher Vren¬ chen feurig durch die Adern rollte, als es ein wenig davon trank; aber es nahm ſich in Acht, nippte blos zuweilen und ſaß ſo züchtig und verſchämt da, wie eine wirkliche Braut. Halb ſpielte es aus Schalkheit dieſe Rolle und aus Luſt, zu verſuchen, wie es thue, halb war es ihm in der That ſo zu Muth und vor Bangig¬ keit und heißer Liebe wollte ihm das Herz bre¬ chen, ſo daß es ihm zu eng ward innerhalb der vier Wände und es zu gehen begehrte. Es war als ob ſie ſich ſcheuten, auf dem Wege wieder ſo abſeits und allein zu ſein, denn ſie gingen unverabredet auf der Hauptſtraße weiter, mitten durch die Leute und ſahen weder rechts noch links. Als ſie aber aus dem Dorfe waren und auf das nächſtgelegene zugingen, wo Kirchweih war, hing ſich Vrenchen an Sali's Arm und flüſterte mit zitternden Worten: »Sali! warum ſollen wir uns nicht haben und glücklich ſein!«

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/338>, abgerufen am 25.11.2024.