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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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sie noch in dieser Weise neben einander her, in
angenehme Träume vertieft, als ob sie nicht
aus zank- und elenderfüllten vernichteten Häusern
herkämen, sondern guter Leute Kinder wären,
welche in lieblicher Hoffnung wandelten. Vren¬
chen senkte das Köpfchen tiefsinnig gegen seine
blumengeschmückte Brust und ging, die Hände
sorglich an das Gewand gelegt, einher auf dem
glatten feuchten Waldboden, Sali dagegen schritt
schlank aufgerichtet, rasch und nachdenklich, die
Augen auf die festen Eichenstämme geheftet wie
ein Bauer, der überlegt, welche Bäume er am
vortheilhaftesten fällen soll. Endlich erwachten
sie aus diesen vergeblichen Träumen, sahen sich
an und entdeckten, daß sie immer noch in der
Haltung gingen, in welcher sie das Gasthaus
verlassen, errötheten und ließen traurig die Köpfe
hängen. Aber Jugend hat keine Tugend, der
Wald war grün, der Himmel blau und sie allein
in der weiten Welt, und sie überließen sich als¬
bald wieder diesem Gefühle. Doch blieben sie
nicht lange mehr allein, da die schöne Waldstraße
sich belebte mit lustwandelnden Gruppen von jun¬
gen Leuten sowie mit einzelnen Paaren, welche

ſie noch in dieſer Weiſe neben einander her, in
angenehme Träume vertieft, als ob ſie nicht
aus zank- und elenderfüllten vernichteten Häuſern
herkämen, ſondern guter Leute Kinder wären,
welche in lieblicher Hoffnung wandelten. Vren¬
chen ſenkte das Köpfchen tiefſinnig gegen ſeine
blumengeſchmückte Bruſt und ging, die Hände
ſorglich an das Gewand gelegt, einher auf dem
glatten feuchten Waldboden, Sali dagegen ſchritt
ſchlank aufgerichtet, raſch und nachdenklich, die
Augen auf die feſten Eichenſtämme geheftet wie
ein Bauer, der überlegt, welche Bäume er am
vortheilhafteſten fällen ſoll. Endlich erwachten
ſie aus dieſen vergeblichen Träumen, ſahen ſich
an und entdeckten, daß ſie immer noch in der
Haltung gingen, in welcher ſie das Gaſthaus
verlaſſen, errötheten und ließen traurig die Köpfe
hängen. Aber Jugend hat keine Tugend, der
Wald war grün, der Himmel blau und ſie allein
in der weiten Welt, und ſie überließen ſich als¬
bald wieder dieſem Gefühle. Doch blieben ſie
nicht lange mehr allein, da die ſchöne Waldſtraße
ſich belebte mit luſtwandelnden Gruppen von jun¬
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[319/0331] ſie noch in dieſer Weiſe neben einander her, in angenehme Träume vertieft, als ob ſie nicht aus zank- und elenderfüllten vernichteten Häuſern herkämen, ſondern guter Leute Kinder wären, welche in lieblicher Hoffnung wandelten. Vren¬ chen ſenkte das Köpfchen tiefſinnig gegen ſeine blumengeſchmückte Bruſt und ging, die Hände ſorglich an das Gewand gelegt, einher auf dem glatten feuchten Waldboden, Sali dagegen ſchritt ſchlank aufgerichtet, raſch und nachdenklich, die Augen auf die feſten Eichenſtämme geheftet wie ein Bauer, der überlegt, welche Bäume er am vortheilhafteſten fällen ſoll. Endlich erwachten ſie aus dieſen vergeblichen Träumen, ſahen ſich an und entdeckten, daß ſie immer noch in der Haltung gingen, in welcher ſie das Gaſthaus verlaſſen, errötheten und ließen traurig die Köpfe hängen. Aber Jugend hat keine Tugend, der Wald war grün, der Himmel blau und ſie allein in der weiten Welt, und ſie überließen ſich als¬ bald wieder dieſem Gefühle. Doch blieben ſie nicht lange mehr allein, da die ſchöne Waldſtraße ſich belebte mit luſtwandelnden Gruppen von jun¬ gen Leuten ſowie mit einzelnen Paaren, welche

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/331>, abgerufen am 22.11.2024.