sagte Sali, ich will schon etwas mitbringen!" "Doch nicht von Deinem Vater, von -- von dem Gestohlenen?" "Nein, sei nur ruhig! ich habe noch meine silberne Uhr bewahrt bis dahin, die will ich verkaufen." "Ich will Dir nicht abrathen, sagte Vrenchen erröthend, denn ich glaube, ich müßte sterben, wenn ich nicht morgen mit Dir tanzen könnte." "Es wäre das Beste, wir Beide könnten sterben!" sagte Sali, sie um¬ armten sich wehmüthig und schmerzlich zum Ab¬ schied, und als sie von einander ließen, lachten sie sich doch freundlich an in der sichern Hoff¬ nung auf den nächsten Tag. "Aber wann willst Du denn kommen?" rief Vrenchen noch; "spä¬ testens um eilf Uhr Mittags, erwiederte er, wir wollen recht ordentlich zusammen Mittag essen!" "Gut, gut! komm lieber um halb eilf schon!" Doch als Sali schon im Gehen war, rief sie ihn noch einmal zurück und zeigte ein plötzlich verändertes verzweiflungsvolles Gesicht. "Es wird doch nichts daraus, sagte sie bitterlich wei¬ nend, ich habe keine Sonntagsschuhe mehr! Schon gestern habe ich diese groben hier anziehen müs¬ sen, um nach der Stadt zu kommen! Ich weiß
ſagte Sali, ich will ſchon etwas mitbringen!« »Doch nicht von Deinem Vater, von — von dem Geſtohlenen?« »Nein, ſei nur ruhig! ich habe noch meine ſilberne Uhr bewahrt bis dahin, die will ich verkaufen.« »Ich will Dir nicht abrathen, ſagte Vrenchen erröthend, denn ich glaube, ich müßte ſterben, wenn ich nicht morgen mit Dir tanzen könnte.« »Es wäre das Beſte, wir Beide könnten ſterben!« ſagte Sali, ſie um¬ armten ſich wehmüthig und ſchmerzlich zum Ab¬ ſchied, und als ſie von einander ließen, lachten ſie ſich doch freundlich an in der ſichern Hoff¬ nung auf den nächſten Tag. »Aber wann willſt Du denn kommen?« rief Vrenchen noch; »ſpä¬ teſtens um eilf Uhr Mittags, erwiederte er, wir wollen recht ordentlich zuſammen Mittag eſſen!« »Gut, gut! komm lieber um halb eilf ſchon!« Doch als Sali ſchon im Gehen war, rief ſie ihn noch einmal zurück und zeigte ein plötzlich verändertes verzweiflungsvolles Geſicht. »Es wird doch nichts daraus, ſagte ſie bitterlich wei¬ nend, ich habe keine Sonntagsſchuhe mehr! Schon geſtern habe ich dieſe groben hier anziehen müſ¬ ſen, um nach der Stadt zu kommen! Ich weiß
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0311"n="299"/>ſagte Sali, ich will ſchon etwas mitbringen!«<lb/>
»Doch nicht von Deinem Vater, von — von<lb/>
dem Geſtohlenen?« »Nein, ſei nur ruhig! ich<lb/>
habe noch meine ſilberne Uhr bewahrt bis dahin,<lb/>
die will ich verkaufen.« »Ich will Dir nicht<lb/>
abrathen, ſagte Vrenchen erröthend, denn ich<lb/>
glaube, ich müßte ſterben, wenn ich nicht morgen<lb/>
mit Dir tanzen könnte.« »Es wäre das Beſte,<lb/>
wir Beide könnten ſterben!« ſagte Sali, ſie um¬<lb/>
armten ſich wehmüthig und ſchmerzlich zum Ab¬<lb/>ſchied, und als ſie von einander ließen, lachten<lb/>ſie ſich doch freundlich an in der ſichern Hoff¬<lb/>
nung auf den nächſten Tag. »Aber wann willſt<lb/>
Du denn kommen?« rief Vrenchen noch; »ſpä¬<lb/>
teſtens um eilf Uhr Mittags, erwiederte er, wir<lb/>
wollen recht ordentlich zuſammen Mittag eſſen!«<lb/>
»Gut, gut! komm lieber um halb eilf ſchon!«<lb/>
Doch als Sali ſchon im Gehen war, rief ſie<lb/>
ihn noch einmal zurück und zeigte ein plötzlich<lb/>
verändertes verzweiflungsvolles Geſicht. »Es<lb/>
wird doch nichts daraus, ſagte ſie bitterlich wei¬<lb/>
nend, ich habe keine Sonntagsſchuhe mehr! Schon<lb/>
geſtern habe ich dieſe groben hier anziehen müſ¬<lb/>ſen, um nach der Stadt zu kommen! Ich weiß<lb/></p></div></body></text></TEI>
[299/0311]
ſagte Sali, ich will ſchon etwas mitbringen!«
»Doch nicht von Deinem Vater, von — von
dem Geſtohlenen?« »Nein, ſei nur ruhig! ich
habe noch meine ſilberne Uhr bewahrt bis dahin,
die will ich verkaufen.« »Ich will Dir nicht
abrathen, ſagte Vrenchen erröthend, denn ich
glaube, ich müßte ſterben, wenn ich nicht morgen
mit Dir tanzen könnte.« »Es wäre das Beſte,
wir Beide könnten ſterben!« ſagte Sali, ſie um¬
armten ſich wehmüthig und ſchmerzlich zum Ab¬
ſchied, und als ſie von einander ließen, lachten
ſie ſich doch freundlich an in der ſichern Hoff¬
nung auf den nächſten Tag. »Aber wann willſt
Du denn kommen?« rief Vrenchen noch; »ſpä¬
teſtens um eilf Uhr Mittags, erwiederte er, wir
wollen recht ordentlich zuſammen Mittag eſſen!«
»Gut, gut! komm lieber um halb eilf ſchon!«
Doch als Sali ſchon im Gehen war, rief ſie
ihn noch einmal zurück und zeigte ein plötzlich
verändertes verzweiflungsvolles Geſicht. »Es
wird doch nichts daraus, ſagte ſie bitterlich wei¬
nend, ich habe keine Sonntagsſchuhe mehr! Schon
geſtern habe ich dieſe groben hier anziehen müſ¬
ſen, um nach der Stadt zu kommen! Ich weiß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/311>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.