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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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Dinge. Noch im Bette liegend brachte er hun¬
dert närrische, sinnlos muthwillige Redensarten
und Einfälle zum Vorschein, schnitt Gesichter und
zog sich die schwarzwollene Zipfelmütze in die
Augen und über die Nase herunter, daß diese
aussah, wie ein Sarg unter einem Bahrtuch.
Das bleiche und abgehärmte Vrenchen hörte ihm
geduldig zu, Thränen vergießend über das thö¬
richte Wesen, welches die arme Tochter noch mehr
ängstigte, als die frühere Bosheit; aber wenn
der Alte zuweilen etwas gar zu drolliges an¬
stellte, so mußte es mitten in seiner Qual laut
auflachen, da sein unterdrücktes Wesen immer
zur Lust aufzuspringen bereit war, wie ein ge¬
spannter Bogen, worauf aber eine um so tie¬
fere Betrübniß erfolgte. Als der Alte aber
aufstehen konnte, war gar nichts mehr mit ihm
anzustellen, er machte nichts als Dummheiten,
lachte und stöberte um das Haus herum, setzte
sich in die Sonne und streckte die Zunge heraus
oder hielt lange Reden in die Bohnen hinein.

Um die gleiche Zeit aber war es auch aus
mit den letzten Überbleibseln seines ehemaligen
Besitzes und die Unordnung so weit gediehen,

Dinge. Noch im Bette liegend brachte er hun¬
dert närriſche, ſinnlos muthwillige Redensarten
und Einfälle zum Vorſchein, ſchnitt Geſichter und
zog ſich die ſchwarzwollene Zipfelmütze in die
Augen und über die Naſe herunter, daß dieſe
ausſah, wie ein Sarg unter einem Bahrtuch.
Das bleiche und abgehärmte Vrenchen hörte ihm
geduldig zu, Thränen vergießend über das thö¬
richte Weſen, welches die arme Tochter noch mehr
ängſtigte, als die frühere Bosheit; aber wenn
der Alte zuweilen etwas gar zu drolliges an¬
ſtellte, ſo mußte es mitten in ſeiner Qual laut
auflachen, da ſein unterdrücktes Weſen immer
zur Luſt aufzuſpringen bereit war, wie ein ge¬
ſpannter Bogen, worauf aber eine um ſo tie¬
fere Betrübniß erfolgte. Als der Alte aber
aufſtehen konnte, war gar nichts mehr mit ihm
anzuſtellen, er machte nichts als Dummheiten,
lachte und ſtöberte um das Haus herum, ſetzte
ſich in die Sonne und ſtreckte die Zunge heraus
oder hielt lange Reden in die Bohnen hinein.

Um die gleiche Zeit aber war es auch aus
mit den letzten Überbleibſeln ſeines ehemaligen
Beſitzes und die Unordnung ſo weit gediehen,

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[290/0302] Dinge. Noch im Bette liegend brachte er hun¬ dert närriſche, ſinnlos muthwillige Redensarten und Einfälle zum Vorſchein, ſchnitt Geſichter und zog ſich die ſchwarzwollene Zipfelmütze in die Augen und über die Naſe herunter, daß dieſe ausſah, wie ein Sarg unter einem Bahrtuch. Das bleiche und abgehärmte Vrenchen hörte ihm geduldig zu, Thränen vergießend über das thö¬ richte Weſen, welches die arme Tochter noch mehr ängſtigte, als die frühere Bosheit; aber wenn der Alte zuweilen etwas gar zu drolliges an¬ ſtellte, ſo mußte es mitten in ſeiner Qual laut auflachen, da ſein unterdrücktes Weſen immer zur Luſt aufzuſpringen bereit war, wie ein ge¬ ſpannter Bogen, worauf aber eine um ſo tie¬ fere Betrübniß erfolgte. Als der Alte aber aufſtehen konnte, war gar nichts mehr mit ihm anzuſtellen, er machte nichts als Dummheiten, lachte und ſtöberte um das Haus herum, ſetzte ſich in die Sonne und ſtreckte die Zunge heraus oder hielt lange Reden in die Bohnen hinein. Um die gleiche Zeit aber war es auch aus mit den letzten Überbleibſeln ſeines ehemaligen Beſitzes und die Unordnung ſo weit gediehen,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/302>, abgerufen am 22.11.2024.