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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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glänzenden Pforten und die sein Herz klopfen
machte, als er sich ihr näherte.

Er stieß auf dem Wege auf Vrenchens Va¬
ter, welcher nach der Stadt zu gehen schien.
Der sah sehr wild und liederlich aus, sein grau
gewordener Bart war seit Wochen nicht geschoren
und er sah aus wie ein recht böser verlorener
Bauersmann, der sein Feld verscherzt hat und
nun geht, um Andern Übles zuzufügen. Dennoch
sah ihn Sali, als sie sich vorüber gingen, nicht
mehr mit Haß, sondern voll Furcht und Scheu
an, als ob sein Leben in dessen Hand stände
und er es lieber von ihm erflehen als ertrotzen
möchte. Marti aber maß ihn mit einem bösen
Blicke von oben bis unten und ging seines We¬
ges. Das war indessen dem Sali recht, welchem
es nun, da er den Alten das Dorf verlassen
sah, deutlicher wurde, was er eigentlich da wolle,
und er schlich sich auf alt bekannten Pfaden so
lange um das Dorf herum und durch dessen
verdeckte Gäßchen, bis er sich Martis Haus und
Hof gegenüber befand. Seit mehreren Jahren
hatte er diese Stätte nicht mehr so nah gesehen;
denn auch als sie noch hier wohnten, hüteten sich

glänzenden Pforten und die ſein Herz klopfen
machte, als er ſich ihr näherte.

Er ſtieß auf dem Wege auf Vrenchens Va¬
ter, welcher nach der Stadt zu gehen ſchien.
Der ſah ſehr wild und liederlich aus, ſein grau
gewordener Bart war ſeit Wochen nicht geſchoren
und er ſah aus wie ein recht böſer verlorener
Bauersmann, der ſein Feld verſcherzt hat und
nun geht, um Andern Übles zuzufügen. Dennoch
ſah ihn Sali, als ſie ſich vorüber gingen, nicht
mehr mit Haß, ſondern voll Furcht und Scheu
an, als ob ſein Leben in deſſen Hand ſtände
und er es lieber von ihm erflehen als ertrotzen
möchte. Marti aber maß ihn mit einem böſen
Blicke von oben bis unten und ging ſeines We¬
ges. Das war indeſſen dem Sali recht, welchem
es nun, da er den Alten das Dorf verlaſſen
ſah, deutlicher wurde, was er eigentlich da wolle,
und er ſchlich ſich auf alt bekannten Pfaden ſo
lange um das Dorf herum und durch deſſen
verdeckte Gäßchen, bis er ſich Martis Haus und
Hof gegenüber befand. Seit mehreren Jahren
hatte er dieſe Stätte nicht mehr ſo nah geſehen;
denn auch als ſie noch hier wohnten, hüteten ſich

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[266/0278] glänzenden Pforten und die ſein Herz klopfen machte, als er ſich ihr näherte. Er ſtieß auf dem Wege auf Vrenchens Va¬ ter, welcher nach der Stadt zu gehen ſchien. Der ſah ſehr wild und liederlich aus, ſein grau gewordener Bart war ſeit Wochen nicht geſchoren und er ſah aus wie ein recht böſer verlorener Bauersmann, der ſein Feld verſcherzt hat und nun geht, um Andern Übles zuzufügen. Dennoch ſah ihn Sali, als ſie ſich vorüber gingen, nicht mehr mit Haß, ſondern voll Furcht und Scheu an, als ob ſein Leben in deſſen Hand ſtände und er es lieber von ihm erflehen als ertrotzen möchte. Marti aber maß ihn mit einem böſen Blicke von oben bis unten und ging ſeines We¬ ges. Das war indeſſen dem Sali recht, welchem es nun, da er den Alten das Dorf verlaſſen ſah, deutlicher wurde, was er eigentlich da wolle, und er ſchlich ſich auf alt bekannten Pfaden ſo lange um das Dorf herum und durch deſſen verdeckte Gäßchen, bis er ſich Martis Haus und Hof gegenüber befand. Seit mehreren Jahren hatte er dieſe Stätte nicht mehr ſo nah geſehen; denn auch als ſie noch hier wohnten, hüteten ſich

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/278>, abgerufen am 27.11.2024.