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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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felbrei, über welchen sie eine fette Milch oder
eine Brühe von schöner brauner Butter goß.
Diesen Kartoffelbrei aßen sie Alle zusammen aus
der Schüssel mit ihren Blechlöffeln, indem Jeder
vor sich eine Vertiefung in das feste Kartoffel¬
gebirge hinein grub. Das Söhnlein, welches
bei aller Seltsamkeit in Eßangelegenheiten einen
strengen Sinn für militairische Regelmäßigkeit
beurkundete und streng darauf hielt, daß Jeder
nicht mehr noch weniger nahm, als was ihm
zukomme, sah stets darauf, daß die Milch oder
die gelbe Butter, welche am Rande der Schüssel
umherfloß, gleichmäßig in die abgetheilten Gru¬
ben laufe; das Schwesterchen hingegen, welches
viel harmloser war, suchte, sobald ihre Quellen
versiegt waren, durch allerhand künstliche Stollen
und Abzugsgräben die wohlschmeckenden Bächlein
auf ihre Seite zu leiten, und wie sehr sich auch
der Bruder dem widersetzte und eben so künst¬
liche Dämme aufbaute und überall verstopfte,
wo sich ein verdächtiges Loch zeigen wollte, so
wußte sie doch immer wieder eine geheime Ader
des Breies zu eröffnen oder langte kurzweg in
offenem Friedensbruch mit ihrem Löffel und mit

felbrei, über welchen ſie eine fette Milch oder
eine Brühe von ſchöner brauner Butter goß.
Dieſen Kartoffelbrei aßen ſie Alle zuſammen aus
der Schüſſel mit ihren Blechlöffeln, indem Jeder
vor ſich eine Vertiefung in das feſte Kartoffel¬
gebirge hinein grub. Das Söhnlein, welches
bei aller Seltſamkeit in Eßangelegenheiten einen
ſtrengen Sinn für militairiſche Regelmäßigkeit
beurkundete und ſtreng darauf hielt, daß Jeder
nicht mehr noch weniger nahm, als was ihm
zukomme, ſah ſtets darauf, daß die Milch oder
die gelbe Butter, welche am Rande der Schüſſel
umherfloß, gleichmäßig in die abgetheilten Gru¬
ben laufe; das Schweſterchen hingegen, welches
viel harmloſer war, ſuchte, ſobald ihre Quellen
verſiegt waren, durch allerhand künſtliche Stollen
und Abzugsgräben die wohlſchmeckenden Bächlein
auf ihre Seite zu leiten, und wie ſehr ſich auch
der Bruder dem widerſetzte und eben ſo künſt¬
liche Dämme aufbaute und überall verſtopfte,
wo ſich ein verdächtiges Loch zeigen wollte, ſo
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des Breies zu eröffnen oder langte kurzweg in
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[14/0026] felbrei, über welchen ſie eine fette Milch oder eine Brühe von ſchöner brauner Butter goß. Dieſen Kartoffelbrei aßen ſie Alle zuſammen aus der Schüſſel mit ihren Blechlöffeln, indem Jeder vor ſich eine Vertiefung in das feſte Kartoffel¬ gebirge hinein grub. Das Söhnlein, welches bei aller Seltſamkeit in Eßangelegenheiten einen ſtrengen Sinn für militairiſche Regelmäßigkeit beurkundete und ſtreng darauf hielt, daß Jeder nicht mehr noch weniger nahm, als was ihm zukomme, ſah ſtets darauf, daß die Milch oder die gelbe Butter, welche am Rande der Schüſſel umherfloß, gleichmäßig in die abgetheilten Gru¬ ben laufe; das Schweſterchen hingegen, welches viel harmloſer war, ſuchte, ſobald ihre Quellen verſiegt waren, durch allerhand künſtliche Stollen und Abzugsgräben die wohlſchmeckenden Bächlein auf ihre Seite zu leiten, und wie ſehr ſich auch der Bruder dem widerſetzte und eben ſo künſt¬ liche Dämme aufbaute und überall verſtopfte, wo ſich ein verdächtiges Loch zeigen wollte, ſo wußte ſie doch immer wieder eine geheime Ader des Breies zu eröffnen oder langte kurzweg in offenem Friedensbruch mit ihrem Löffel und mit

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/26>, abgerufen am 25.11.2024.