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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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hervor dem bedenklichen Zuge zusahen. Denn
sie nahm sich vor, mit ihrer Liebenswürdigkeit
und Klugheit die ganze Stadt zu bezaubern, und
was ihr versimpelter Mann nicht machen könne,
das wolle sie schon ausrichten, wenn sie nur erst
einmal als Frau Wirthin in einem stattlichen
Gasthofe säße. Dieser Gasthof bestand aber in
einer trübseligen Winkelschenke in einem abgele¬
genen schmalen Gäßchen, auf der eben ein An¬
derer zu Grunde gegangen war und welche die
Seldwyler dem Manz verpachteten, da er noch
einige hundert Thaler einzuziehen hatte. Sie
verkauften ihm auch ein paar Fäßchen säuerlichen
Weines und das Wirthschaftsmobiliar, das aus
einem Dutzend weißen geringen Flaschen, ebenso¬
viel Gläsern und einigen tannenen Tischen und
Bänken bestand, welche einst blutroth angestrichen
gewesen und jetzt vielfältig abgescheuert waren.
Vor dem Fenster knarrte ein eiserner Reifen in
einem Haken und in dem Reifen schenkte eine
blecherne Hand Rothwein aus einem Schöppchen
in ein Glas. Überdies hing ein verdorrter Busch
von Stechpalme über der Hausthüre, was Manz
alles mit in die Pacht bekam. Um deswillen war

hervor dem bedenklichen Zuge zuſahen. Denn
ſie nahm ſich vor, mit ihrer Liebenswürdigkeit
und Klugheit die ganze Stadt zu bezaubern, und
was ihr verſimpelter Mann nicht machen könne,
das wolle ſie ſchon ausrichten, wenn ſie nur erſt
einmal als Frau Wirthin in einem ſtattlichen
Gaſthofe ſäße. Dieſer Gaſthof beſtand aber in
einer trübſeligen Winkelſchenke in einem abgele¬
genen ſchmalen Gäßchen, auf der eben ein An¬
derer zu Grunde gegangen war und welche die
Seldwyler dem Manz verpachteten, da er noch
einige hundert Thaler einzuziehen hatte. Sie
verkauften ihm auch ein paar Fäßchen ſäuerlichen
Weines und das Wirthſchaftsmobiliar, das aus
einem Dutzend weißen geringen Flaſchen, ebenſo¬
viel Gläſern und einigen tannenen Tiſchen und
Bänken beſtand, welche einſt blutroth angeſtrichen
geweſen und jetzt vielfältig abgeſcheuert waren.
Vor dem Fenſter knarrte ein eiſerner Reifen in
einem Haken und in dem Reifen ſchenkte eine
blecherne Hand Rothwein aus einem Schöppchen
in ein Glas. Überdies hing ein verdorrter Buſch
von Stechpalme über der Hausthüre, was Manz
alles mit in die Pacht bekam. Um deswillen war

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[245/0257] hervor dem bedenklichen Zuge zuſahen. Denn ſie nahm ſich vor, mit ihrer Liebenswürdigkeit und Klugheit die ganze Stadt zu bezaubern, und was ihr verſimpelter Mann nicht machen könne, das wolle ſie ſchon ausrichten, wenn ſie nur erſt einmal als Frau Wirthin in einem ſtattlichen Gaſthofe ſäße. Dieſer Gaſthof beſtand aber in einer trübſeligen Winkelſchenke in einem abgele¬ genen ſchmalen Gäßchen, auf der eben ein An¬ derer zu Grunde gegangen war und welche die Seldwyler dem Manz verpachteten, da er noch einige hundert Thaler einzuziehen hatte. Sie verkauften ihm auch ein paar Fäßchen ſäuerlichen Weines und das Wirthſchaftsmobiliar, das aus einem Dutzend weißen geringen Flaſchen, ebenſo¬ viel Gläſern und einigen tannenen Tiſchen und Bänken beſtand, welche einſt blutroth angeſtrichen geweſen und jetzt vielfältig abgeſcheuert waren. Vor dem Fenſter knarrte ein eiſerner Reifen in einem Haken und in dem Reifen ſchenkte eine blecherne Hand Rothwein aus einem Schöppchen in ein Glas. Überdies hing ein verdorrter Buſch von Stechpalme über der Hausthüre, was Manz alles mit in die Pacht bekam. Um deswillen war

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/257>, abgerufen am 24.11.2024.