rend Marti der einzige Verzehrer war in seinem wackeligen Königreich, und seine Tochter durfte wohl arbeiten wie ein Hausthierchen, aber nichts gebrauchen. Manz aber wußte nichts anderes anzufangen, als auf den Rath seiner Seldwyler Gönner in die Stadt zu ziehen und da sich als Wirth aufzuthun. Dies ist immer ein Elend anzusehn, wenn ein ehemaliger Landmann, der auf dem Felde alt geworden ist, mit den Trüm¬ mern seiner Habe in eine Stadt zieht und da eine Schenke oder Kneipe aufthut, um als letzten Rettungsanker den freundlichen und gewandten Wirth zu machen, während es ihm nichts weni¬ ger als freundlich zu Muth ist. Als die Man¬ zen vom Hofe zogen, sah man erst, wie arm sie bereits waren; denn sie luden lauter alten und verfallenden Hausrath auf, dem man es ansah, daß seit vielen Jahren nichts erneuert und ange¬ schafft worden war. Die Frau legte aber nichts desto minder ihren besten Staat an, als sie sich oben auf die Gerümpelfuhre setzte und machte ein Gesicht voller Hoffnungen, als künftige Stadt¬ frau schon mit Verachtung auf die Dorfgenossen herabsehend, welche voll Mitleid hinter den Hecken
rend Marti der einzige Verzehrer war in ſeinem wackeligen Königreich, und ſeine Tochter durfte wohl arbeiten wie ein Hausthierchen, aber nichts gebrauchen. Manz aber wußte nichts anderes anzufangen, als auf den Rath ſeiner Seldwyler Gönner in die Stadt zu ziehen und da ſich als Wirth aufzuthun. Dies iſt immer ein Elend anzuſehn, wenn ein ehemaliger Landmann, der auf dem Felde alt geworden iſt, mit den Trüm¬ mern ſeiner Habe in eine Stadt zieht und da eine Schenke oder Kneipe aufthut, um als letzten Rettungsanker den freundlichen und gewandten Wirth zu machen, während es ihm nichts weni¬ ger als freundlich zu Muth iſt. Als die Man¬ zen vom Hofe zogen, ſah man erſt, wie arm ſie bereits waren; denn ſie luden lauter alten und verfallenden Hausrath auf, dem man es anſah, daß ſeit vielen Jahren nichts erneuert und ange¬ ſchafft worden war. Die Frau legte aber nichts deſto minder ihren beſten Staat an, als ſie ſich oben auf die Gerümpelfuhre ſetzte und machte ein Geſicht voller Hoffnungen, als künftige Stadt¬ frau ſchon mit Verachtung auf die Dorfgenoſſen herabſehend, welche voll Mitleid hinter den Hecken
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0256"n="244"/>
rend Marti der einzige Verzehrer war in ſeinem<lb/>
wackeligen Königreich, und ſeine Tochter durfte<lb/>
wohl arbeiten wie ein Hausthierchen, aber nichts<lb/>
gebrauchen. Manz aber wußte nichts anderes<lb/>
anzufangen, als auf den Rath ſeiner Seldwyler<lb/>
Gönner in die Stadt zu ziehen und da ſich als<lb/>
Wirth aufzuthun. Dies iſt immer ein Elend<lb/>
anzuſehn, wenn ein ehemaliger Landmann, der<lb/>
auf dem Felde alt geworden iſt, mit den Trüm¬<lb/>
mern ſeiner Habe in eine Stadt zieht und da<lb/>
eine Schenke oder Kneipe aufthut, um als letzten<lb/>
Rettungsanker den freundlichen und gewandten<lb/>
Wirth zu machen, während es ihm nichts weni¬<lb/>
ger als freundlich zu Muth iſt. Als die Man¬<lb/>
zen vom Hofe zogen, ſah man erſt, wie arm ſie<lb/>
bereits waren; denn ſie luden lauter alten und<lb/>
verfallenden Hausrath auf, dem man es anſah,<lb/>
daß ſeit vielen Jahren nichts erneuert und ange¬<lb/>ſchafft worden war. Die Frau legte aber nichts<lb/>
deſto minder ihren beſten Staat an, als ſie ſich<lb/>
oben auf die Gerümpelfuhre ſetzte und machte<lb/>
ein Geſicht voller Hoffnungen, als künftige Stadt¬<lb/>
frau ſchon mit Verachtung auf die Dorfgenoſſen<lb/>
herabſehend, welche voll Mitleid hinter den Hecken<lb/></p></div></body></text></TEI>
[244/0256]
rend Marti der einzige Verzehrer war in ſeinem
wackeligen Königreich, und ſeine Tochter durfte
wohl arbeiten wie ein Hausthierchen, aber nichts
gebrauchen. Manz aber wußte nichts anderes
anzufangen, als auf den Rath ſeiner Seldwyler
Gönner in die Stadt zu ziehen und da ſich als
Wirth aufzuthun. Dies iſt immer ein Elend
anzuſehn, wenn ein ehemaliger Landmann, der
auf dem Felde alt geworden iſt, mit den Trüm¬
mern ſeiner Habe in eine Stadt zieht und da
eine Schenke oder Kneipe aufthut, um als letzten
Rettungsanker den freundlichen und gewandten
Wirth zu machen, während es ihm nichts weni¬
ger als freundlich zu Muth iſt. Als die Man¬
zen vom Hofe zogen, ſah man erſt, wie arm ſie
bereits waren; denn ſie luden lauter alten und
verfallenden Hausrath auf, dem man es anſah,
daß ſeit vielen Jahren nichts erneuert und ange¬
ſchafft worden war. Die Frau legte aber nichts
deſto minder ihren beſten Staat an, als ſie ſich
oben auf die Gerümpelfuhre ſetzte und machte
ein Geſicht voller Hoffnungen, als künftige Stadt¬
frau ſchon mit Verachtung auf die Dorfgenoſſen
herabſehend, welche voll Mitleid hinter den Hecken
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/256>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.