Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Dienstbuben, ein Tagelöhnermädchen und sein
eigenes Söhnchen Sali auf den Acker hin¬
aus, daß sie das wilde Unkraut und Gestrüpp
auszögen und auf Haufen brächten, damit nach¬
her die Steine um so bequemer weggefahren
werden könnten. Dies war eine Änderung in
seinem Wesen, daß er den kaum eilfjährigen
Jungen, der noch zu keiner Arbeit angehalten
worden, nun mit hinaussandte, gegen die Ein¬
sprache der Mutter. Es schien, da er es mit
ernsthaften und gesalbten Worten that, als ob
er mit dieser Arbeitsstrenge gegen sein eigenes
Blut das Unrecht betäuben wollte, in dem er
lebte, und welches nun begann, seine Folgen
ruhig zu entfalten. Das ausgesandte Völklein
jätete inzwischen lustig an dem Unkraut und
hackte mit Vergnügen an den wunderlichen Stau¬
den und Pflanzen aller Art, die da seit Jahren
wucherten. Denn da es eine außerordentliche
gleichsam wilde Arbeit war, bei der keine Regel
und keine Sorgfalt erheischt wurde, so galt sie
als eine Lust. Das wilde Zeug, an der Sonne
gedörrt, wurde aufgehäuft und mit großem Ju¬
bel verbrannt, daß der Qualm weithin sich ver¬

Dienſtbuben, ein Tagelöhnermädchen und ſein
eigenes Söhnchen Sali auf den Acker hin¬
aus, daß ſie das wilde Unkraut und Geſtrüpp
auszögen und auf Haufen brächten, damit nach¬
her die Steine um ſo bequemer weggefahren
werden könnten. Dies war eine Änderung in
ſeinem Weſen, daß er den kaum eilfjährigen
Jungen, der noch zu keiner Arbeit angehalten
worden, nun mit hinausſandte, gegen die Ein¬
ſprache der Mutter. Es ſchien, da er es mit
ernſthaften und geſalbten Worten that, als ob
er mit dieſer Arbeitsſtrenge gegen ſein eigenes
Blut das Unrecht betäuben wollte, in dem er
lebte, und welches nun begann, ſeine Folgen
ruhig zu entfalten. Das ausgeſandte Völklein
jätete inzwiſchen luſtig an dem Unkraut und
hackte mit Vergnügen an den wunderlichen Stau¬
den und Pflanzen aller Art, die da ſeit Jahren
wucherten. Denn da es eine außerordentliche
gleichſam wilde Arbeit war, bei der keine Regel
und keine Sorgfalt erheiſcht wurde, ſo galt ſie
als eine Luſt. Das wilde Zeug, an der Sonne
gedörrt, wurde aufgehäuft und mit großem Ju¬
bel verbrannt, daß der Qualm weithin ſich ver¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0242" n="230"/>
Dien&#x017F;tbuben, ein Tagelöhnermädchen und &#x017F;ein<lb/>
eigenes Söhnchen Sali auf den Acker hin¬<lb/>
aus, daß &#x017F;ie das wilde Unkraut und Ge&#x017F;trüpp<lb/>
auszögen und auf Haufen brächten, damit nach¬<lb/>
her die Steine um &#x017F;o bequemer weggefahren<lb/>
werden könnten. Dies war eine Änderung in<lb/>
&#x017F;einem We&#x017F;en, daß er den kaum eilfjährigen<lb/>
Jungen, der noch zu keiner Arbeit angehalten<lb/>
worden, nun mit hinaus&#x017F;andte, gegen die Ein¬<lb/>
&#x017F;prache der Mutter. Es &#x017F;chien, da er es mit<lb/>
ern&#x017F;thaften und ge&#x017F;albten Worten that, als ob<lb/>
er mit die&#x017F;er Arbeits&#x017F;trenge gegen &#x017F;ein eigenes<lb/>
Blut das Unrecht betäuben wollte, in dem er<lb/>
lebte, und welches nun begann, &#x017F;eine Folgen<lb/>
ruhig zu entfalten. Das ausge&#x017F;andte Völklein<lb/>
jätete inzwi&#x017F;chen lu&#x017F;tig an dem Unkraut und<lb/>
hackte mit Vergnügen an den wunderlichen Stau¬<lb/>
den und Pflanzen aller Art, die da &#x017F;eit Jahren<lb/>
wucherten. Denn da es eine außerordentliche<lb/>
gleich&#x017F;am wilde Arbeit war, bei der keine Regel<lb/>
und keine Sorgfalt erhei&#x017F;cht wurde, &#x017F;o galt &#x017F;ie<lb/>
als eine Lu&#x017F;t. Das wilde Zeug, an der Sonne<lb/>
gedörrt, wurde aufgehäuft und mit großem Ju¬<lb/>
bel verbrannt, daß der Qualm weithin &#x017F;ich ver¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0242] Dienſtbuben, ein Tagelöhnermädchen und ſein eigenes Söhnchen Sali auf den Acker hin¬ aus, daß ſie das wilde Unkraut und Geſtrüpp auszögen und auf Haufen brächten, damit nach¬ her die Steine um ſo bequemer weggefahren werden könnten. Dies war eine Änderung in ſeinem Weſen, daß er den kaum eilfjährigen Jungen, der noch zu keiner Arbeit angehalten worden, nun mit hinausſandte, gegen die Ein¬ ſprache der Mutter. Es ſchien, da er es mit ernſthaften und geſalbten Worten that, als ob er mit dieſer Arbeitsſtrenge gegen ſein eigenes Blut das Unrecht betäuben wollte, in dem er lebte, und welches nun begann, ſeine Folgen ruhig zu entfalten. Das ausgeſandte Völklein jätete inzwiſchen luſtig an dem Unkraut und hackte mit Vergnügen an den wunderlichen Stau¬ den und Pflanzen aller Art, die da ſeit Jahren wucherten. Denn da es eine außerordentliche gleichſam wilde Arbeit war, bei der keine Regel und keine Sorgfalt erheiſcht wurde, ſo galt ſie als eine Luſt. Das wilde Zeug, an der Sonne gedörrt, wurde aufgehäuft und mit großem Ju¬ bel verbrannt, daß der Qualm weithin ſich ver¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/242
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/242>, abgerufen am 25.11.2024.