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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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lich, und das geringste Fetzchen Papier, ein
Stücklein von einem Taufschein würde meinem
Gewissen besser thun, als zehn sündhafte Men¬
schengesichter!"

"Eia, sicherlich! sagte Marti, er sagt zwar,
er sei nicht Schuld, daß man ihn nicht getauft
habe! Aber sollen wir unsern Taufstein tragbar
machen und in den Wäldern herumtragen? Nein,
er steht fest in der Kirche und dafür ist die
Todtenbahre tragbar, die draußen an der Mauer
hängt. Wir sind schon übervölkert im Dorf und
brauchen bald zwei Schulmeister!"

Hiemit war die Mahlzeit und das Zwiege¬
spräch der Bauern geendet und sie erhoben sich,
den Rest ihrer heutigen Vormittagsarbeit zu voll¬
bringen. Die beiden Kinder hingegen, welche
schon den Plan entworfen hatten, mit den Vä¬
tern nach Hause zu ziehen, zogen ihr Fuhrwerk
unter den Schutz der jungen Linden und begaben
sich dann auf einen Streifzug in dem wilden
Acker, da derselbe mit seinen Unkräutern, Stau¬
den und Steinhaufen eine ungewohnte und merk¬
würdige Wildniß darstellte. Nachdem sie in der
Mitte dieser grünen Wildniß einige Zeit hinge¬

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lich, und das geringſte Fetzchen Papier, ein
Stücklein von einem Taufſchein würde meinem
Gewiſſen beſſer thun, als zehn ſündhafte Men¬
ſchengeſichter!«

»Eia, ſicherlich! ſagte Marti, er ſagt zwar,
er ſei nicht Schuld, daß man ihn nicht getauft
habe! Aber ſollen wir unſern Taufſtein tragbar
machen und in den Wäldern herumtragen? Nein,
er ſteht feſt in der Kirche und dafür iſt die
Todtenbahre tragbar, die draußen an der Mauer
hängt. Wir ſind ſchon übervölkert im Dorf und
brauchen bald zwei Schulmeiſter!«

Hiemit war die Mahlzeit und das Zwiege¬
ſpräch der Bauern geendet und ſie erhoben ſich,
den Reſt ihrer heutigen Vormittagsarbeit zu voll¬
bringen. Die beiden Kinder hingegen, welche
ſchon den Plan entworfen hatten, mit den Vä¬
tern nach Hauſe zu ziehen, zogen ihr Fuhrwerk
unter den Schutz der jungen Linden und begaben
ſich dann auf einen Streifzug in dem wilden
Acker, da derſelbe mit ſeinen Unkräutern, Stau¬
den und Steinhaufen eine ungewohnte und merk¬
würdige Wildniß darſtellte. Nachdem ſie in der
Mitte dieſer grünen Wildniß einige Zeit hinge¬

14 *
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[217/0229] lich, und das geringſte Fetzchen Papier, ein Stücklein von einem Taufſchein würde meinem Gewiſſen beſſer thun, als zehn ſündhafte Men¬ ſchengeſichter!« »Eia, ſicherlich! ſagte Marti, er ſagt zwar, er ſei nicht Schuld, daß man ihn nicht getauft habe! Aber ſollen wir unſern Taufſtein tragbar machen und in den Wäldern herumtragen? Nein, er ſteht feſt in der Kirche und dafür iſt die Todtenbahre tragbar, die draußen an der Mauer hängt. Wir ſind ſchon übervölkert im Dorf und brauchen bald zwei Schulmeiſter!« Hiemit war die Mahlzeit und das Zwiege¬ ſpräch der Bauern geendet und ſie erhoben ſich, den Reſt ihrer heutigen Vormittagsarbeit zu voll¬ bringen. Die beiden Kinder hingegen, welche ſchon den Plan entworfen hatten, mit den Vä¬ tern nach Hauſe zu ziehen, zogen ihr Fuhrwerk unter den Schutz der jungen Linden und begaben ſich dann auf einen Streifzug in dem wilden Acker, da derſelbe mit ſeinen Unkräutern, Stau¬ den und Steinhaufen eine ungewohnte und merk¬ würdige Wildniß darſtellte. Nachdem ſie in der Mitte dieſer grünen Wildniß einige Zeit hinge¬ 14 *

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/229>, abgerufen am 22.11.2024.