ausschließlich Landleute aus umliegenden Gehöf¬ ten, welche mit den Seldwylern zu wählen hat¬ ten. Diese Landleute hätten zwar auch eine sechs mal stärkere Zahl zu stellen gehabt; aber da die Ausgebliebenen wirklich im Schweiße ihres Angesichts auf den Feldern arbeiteten, so war ihr Wegbleiben mehr eine harmlose Gedanken¬ losigkeit und ein bäuerlicher Geiz mit dem schö¬ nen Wetter, und da sie einen weiten Weg zu machen hatten, erschien das Dasein der Anwe¬ senden um so löblicher. Aus der Stadt selbst war Niemand da als der Gemeindepräsident, die Wahlen zu leiten, der Gemeindeschreiber, das Protokoll zu führen, dann der Nachtwächter und zwei oder drei arme Teufel, welche kein Geld hatten, um mit den lachenden Seldwylern den Frühschoppen zu trinken. Der Herr Präsident aber war ein Gastwirth, welcher vor Jahren schon fallirt hatte und seither die Wirthschaft auf Rechnung seiner Frau fortbetrieb. Hierin wurde er von seinen Mitbürgern reichlich unter¬ stützt, da er ganz ihr Mann war, das große Wort zu führen wußte und bei allen Händeln als ein erfahrner Wirth auf dem Posten war
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ausſchließlich Landleute aus umliegenden Gehöf¬ ten, welche mit den Seldwylern zu wählen hat¬ ten. Dieſe Landleute hätten zwar auch eine ſechs mal ſtärkere Zahl zu ſtellen gehabt; aber da die Ausgebliebenen wirklich im Schweiße ihres Angeſichts auf den Feldern arbeiteten, ſo war ihr Wegbleiben mehr eine harmloſe Gedanken¬ loſigkeit und ein bäuerlicher Geiz mit dem ſchö¬ nen Wetter, und da ſie einen weiten Weg zu machen hatten, erſchien das Daſein der Anwe¬ ſenden um ſo löblicher. Aus der Stadt ſelbſt war Niemand da als der Gemeindepräſident, die Wahlen zu leiten, der Gemeindeſchreiber, das Protokoll zu führen, dann der Nachtwächter und zwei oder drei arme Teufel, welche kein Geld hatten, um mit den lachenden Seldwylern den Frühſchoppen zu trinken. Der Herr Präſident aber war ein Gaſtwirth, welcher vor Jahren ſchon fallirt hatte und ſeither die Wirthſchaft auf Rechnung ſeiner Frau fortbetrieb. Hierin wurde er von ſeinen Mitbürgern reichlich unter¬ ſtützt, da er ganz ihr Mann war, das große Wort zu führen wußte und bei allen Händeln als ein erfahrner Wirth auf dem Poſten war
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ausſchließlich Landleute aus umliegenden Gehöf¬
ten, welche mit den Seldwylern zu wählen hat¬
ten. Dieſe Landleute hätten zwar auch eine
ſechs mal ſtärkere Zahl zu ſtellen gehabt; aber
da die Ausgebliebenen wirklich im Schweiße ihres
Angeſichts auf den Feldern arbeiteten, ſo war
ihr Wegbleiben mehr eine harmloſe Gedanken¬
loſigkeit und ein bäuerlicher Geiz mit dem ſchö¬
nen Wetter, und da ſie einen weiten Weg zu
machen hatten, erſchien das Daſein der Anwe¬
ſenden um ſo löblicher. Aus der Stadt ſelbſt
war Niemand da als der Gemeindepräſident,
die Wahlen zu leiten, der Gemeindeſchreiber, das
Protokoll zu führen, dann der Nachtwächter und
zwei oder drei arme Teufel, welche kein Geld
hatten, um mit den lachenden Seldwylern den
Frühſchoppen zu trinken. Der Herr Präſident
aber war ein Gaſtwirth, welcher vor Jahren
ſchon fallirt hatte und ſeither die Wirthſchaft
auf Rechnung ſeiner Frau fortbetrieb. Hierin
wurde er von ſeinen Mitbürgern reichlich unter¬
ſtützt, da er ganz ihr Mann war, das große
Wort zu führen wußte und bei allen Händeln
als ein erfahrner Wirth auf dem Poſten war
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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/207>, abgerufen am 24.11.2024.
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