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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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allen schlechten Geschichten, eitlen Vergnügungen
und Dummheiten, bei allem Gevatter- und Ge¬
schnatterwesen befleißigt man sich der größten
Pünktlichkeit; aber alle vier Jahre ein Mal sich
pünktlich und vollzählig zu einer Wahlhandlung
einzufinden, welche die Grundlage unsers ganzen
öffentlichen Wesens und Regimentes ist, das soll
langweilig, unausstehlich und lächerlich sein!
das soll in dem Belieben und in der Bequem¬
lichkeit jedes Einzelnen stehen, der immer nach
seinem Rechte schreit, aber sobald dies Recht nur
ein Bischen auch nach Pflicht riecht, sein Recht
darin sucht, keines zu üben! Wie, ihr wollt
einen freien Staat vorstellen und seid zu faul,
alle vier Jahre einen halben Tag zu opfern,
einige Aufmerksamkeit zu bezeigen und eure Zu¬
friedenheit oder Unzufriedenheit mit dem Regi¬
ment, das ihr vertragsmäßig eingesetzt, zu offen¬
baren? Sagt nicht, daß ihr immer da wäret,
wenn es sein müßte! Wer nur da ist, wenn es
ihn belustigt und seine Leidenschaft kitzelt, der
wird einmal ausbleiben und sich eine Nase dre¬
hen lassen, grade wenn er am wenigsten daran
denkt.

allen ſchlechten Geſchichten, eitlen Vergnügungen
und Dummheiten, bei allem Gevatter- und Ge¬
ſchnatterweſen befleißigt man ſich der größten
Pünktlichkeit; aber alle vier Jahre ein Mal ſich
pünktlich und vollzählig zu einer Wahlhandlung
einzufinden, welche die Grundlage unſers ganzen
öffentlichen Weſens und Regimentes iſt, das ſoll
langweilig, unausſtehlich und lächerlich ſein!
das ſoll in dem Belieben und in der Bequem¬
lichkeit jedes Einzelnen ſtehen, der immer nach
ſeinem Rechte ſchreit, aber ſobald dies Recht nur
ein Bischen auch nach Pflicht riecht, ſein Recht
darin ſucht, keines zu üben! Wie, ihr wollt
einen freien Staat vorſtellen und ſeid zu faul,
alle vier Jahre einen halben Tag zu opfern,
einige Aufmerkſamkeit zu bezeigen und eure Zu¬
friedenheit oder Unzufriedenheit mit dem Regi¬
ment, das ihr vertragsmäßig eingeſetzt, zu offen¬
baren? Sagt nicht, daß ihr immer da wäret,
wenn es ſein müßte! Wer nur da iſt, wenn es
ihn beluſtigt und ſeine Leidenſchaft kitzelt, der
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denkt.

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[190/0202] allen ſchlechten Geſchichten, eitlen Vergnügungen und Dummheiten, bei allem Gevatter- und Ge¬ ſchnatterweſen befleißigt man ſich der größten Pünktlichkeit; aber alle vier Jahre ein Mal ſich pünktlich und vollzählig zu einer Wahlhandlung einzufinden, welche die Grundlage unſers ganzen öffentlichen Weſens und Regimentes iſt, das ſoll langweilig, unausſtehlich und lächerlich ſein! das ſoll in dem Belieben und in der Bequem¬ lichkeit jedes Einzelnen ſtehen, der immer nach ſeinem Rechte ſchreit, aber ſobald dies Recht nur ein Bischen auch nach Pflicht riecht, ſein Recht darin ſucht, keines zu üben! Wie, ihr wollt einen freien Staat vorſtellen und ſeid zu faul, alle vier Jahre einen halben Tag zu opfern, einige Aufmerkſamkeit zu bezeigen und eure Zu¬ friedenheit oder Unzufriedenheit mit dem Regi¬ ment, das ihr vertragsmäßig eingeſetzt, zu offen¬ baren? Sagt nicht, daß ihr immer da wäret, wenn es ſein müßte! Wer nur da iſt, wenn es ihn beluſtigt und ſeine Leidenſchaft kitzelt, der wird einmal ausbleiben und ſich eine Naſe dre¬ hen laſſen, grade wenn er am wenigſten daran denkt.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/202>, abgerufen am 28.11.2024.