und Tag gesessen habt, so wird man Euch er¬ lauben, zur Feier Eures glorreichen Einzuges auch eine kleine Minorität von Speck zu über¬ wältigen, aber beißt Euch alsdann die Zähne nicht daran aus! Es geht allerdings nichts über einen guten Spaziergang und ist zuträglich für die Gesundheit, insbesondere wenn man keine regelmäßige Arbeit und Bewegung zu haben scheint; aber man muß sich doch immer in Acht nehmen, wo man spazieren geht und es ist un¬ höflich, mit dem Hut auf dem Kopf in eine Kirche und mit dem Gewehr in der Hand in ein friedfertiges Staatswesen herein zu spazieren! Oder habt Ihr geglaubt, wir stellen keinen Staat vor, weil wir noch Religion haben und unsere Pfaffen zu ehren belieben? Dieses gefällt uns einmal so, und wir wohnen gerade so lang im Lande, als Ihr, Ihr Maulaffen, die Ihr nun dasteht und Euch nicht zu helfen wißt!"
So tönte es unaufhörlich um sie her, und die Beredtsamkeit der Sieger war um so uner¬ schöpflicher, als sie das Gleiche, dessen sie ihre Gegner nun anklagten, entweder selbst schon ge¬ than oder es jeden Augenblick zu thun bereit
und Tag geſeſſen habt, ſo wird man Euch er¬ lauben, zur Feier Eures glorreichen Einzuges auch eine kleine Minorität von Speck zu über¬ wältigen, aber beißt Euch alsdann die Zähne nicht daran aus! Es geht allerdings nichts über einen guten Spaziergang und iſt zuträglich für die Geſundheit, insbeſondere wenn man keine regelmäßige Arbeit und Bewegung zu haben ſcheint; aber man muß ſich doch immer in Acht nehmen, wo man ſpazieren geht und es iſt un¬ höflich, mit dem Hut auf dem Kopf in eine Kirche und mit dem Gewehr in der Hand in ein friedfertiges Staatsweſen herein zu ſpazieren! Oder habt Ihr geglaubt, wir ſtellen keinen Staat vor, weil wir noch Religion haben und unſere Pfaffen zu ehren belieben? Dieſes gefällt uns einmal ſo, und wir wohnen gerade ſo lang im Lande, als Ihr, Ihr Maulaffen, die Ihr nun daſteht und Euch nicht zu helfen wißt!«
So tönte es unaufhörlich um ſie her, und die Beredtſamkeit der Sieger war um ſo uner¬ ſchöpflicher, als ſie das Gleiche, deſſen ſie ihre Gegner nun anklagten, entweder ſelbſt ſchon ge¬ than oder es jeden Augenblick zu thun bereit
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0184"n="172"/>
und Tag geſeſſen habt, ſo wird man Euch er¬<lb/>
lauben, zur Feier Eures glorreichen Einzuges<lb/>
auch eine kleine Minorität von Speck zu über¬<lb/>
wältigen, aber beißt Euch alsdann die Zähne<lb/>
nicht daran aus! Es geht allerdings nichts<lb/>
über einen guten Spaziergang und iſt zuträglich<lb/>
für die Geſundheit, insbeſondere wenn man keine<lb/>
regelmäßige Arbeit und Bewegung zu haben<lb/>ſcheint; aber man muß ſich doch immer in Acht<lb/>
nehmen, wo man ſpazieren geht und es iſt un¬<lb/>
höflich, mit dem Hut auf dem Kopf in eine<lb/>
Kirche und mit dem Gewehr in der Hand in<lb/>
ein friedfertiges Staatsweſen herein zu ſpazieren!<lb/>
Oder habt Ihr geglaubt, wir ſtellen keinen Staat<lb/>
vor, weil wir noch Religion haben und unſere<lb/>
Pfaffen zu ehren belieben? Dieſes gefällt uns<lb/>
einmal ſo, und wir wohnen gerade ſo lang im<lb/>
Lande, als Ihr, Ihr Maulaffen, die Ihr nun<lb/>
daſteht und Euch nicht zu helfen wißt!«</p><lb/><p>So tönte es unaufhörlich um ſie her, und<lb/>
die Beredtſamkeit der Sieger war um ſo uner¬<lb/>ſchöpflicher, als ſie das Gleiche, deſſen ſie ihre<lb/>
Gegner nun anklagten, entweder ſelbſt ſchon ge¬<lb/>
than oder es jeden Augenblick zu thun bereit<lb/></p></div></body></text></TEI>
[172/0184]
und Tag geſeſſen habt, ſo wird man Euch er¬
lauben, zur Feier Eures glorreichen Einzuges
auch eine kleine Minorität von Speck zu über¬
wältigen, aber beißt Euch alsdann die Zähne
nicht daran aus! Es geht allerdings nichts
über einen guten Spaziergang und iſt zuträglich
für die Geſundheit, insbeſondere wenn man keine
regelmäßige Arbeit und Bewegung zu haben
ſcheint; aber man muß ſich doch immer in Acht
nehmen, wo man ſpazieren geht und es iſt un¬
höflich, mit dem Hut auf dem Kopf in eine
Kirche und mit dem Gewehr in der Hand in
ein friedfertiges Staatsweſen herein zu ſpazieren!
Oder habt Ihr geglaubt, wir ſtellen keinen Staat
vor, weil wir noch Religion haben und unſere
Pfaffen zu ehren belieben? Dieſes gefällt uns
einmal ſo, und wir wohnen gerade ſo lang im
Lande, als Ihr, Ihr Maulaffen, die Ihr nun
daſteht und Euch nicht zu helfen wißt!«
So tönte es unaufhörlich um ſie her, und
die Beredtſamkeit der Sieger war um ſo uner¬
ſchöpflicher, als ſie das Gleiche, deſſen ſie ihre
Gegner nun anklagten, entweder ſelbſt ſchon ge¬
than oder es jeden Augenblick zu thun bereit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/184>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.