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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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Kaum waren sie entwaffnet und von dem Volke
umringt, als alle möglichen Ehrentitel auf sie
niederregneten: Landfriedenbrecher, Freischärler,
Räuber, Buben waren noch die mildesten Aus¬
rufe, die sie zu hören bekamen. Zudem wurden
sie von vorn und hinten betrachtet wie wilde
Thiere und je solider sie in ihrer Tracht und
Haltung aussahen, desto erboster schienen die
Bauern darüber zu werden, daß solche Leute solche
Streiche machten.

So hatten sie nun nichts weiter zu thun,
als zu stehen oder zu gehen, wo und wie man
ihnen befahl, hierhin, dorthin, wie es dem viel¬
köpfigen Souverain beliebte, welchem sie sein
Recht hatten nehmen wollen. Und er übte es
jetzt in reichlichem Maße aus und es fehlte nicht
an Knüffen und Püffen, wenn die Herren Ge¬
fangenen sich trotzig zeigten oder nicht gehorchen
wollten. Jeder schrie ihnen eine gute Lehre zu:
"Wäret Ihr zu Hause geblieben, so brauchtet
Ihr uns nicht zu gehorchen! Wer hat Euch
hergerufen? Da Ihr uns regieren wolltet, so
wollen wir nun Euch auch regieren, Ihr Spitz¬
buben! Was bezieht Ihr für Gehalt für Euer

Kaum waren ſie entwaffnet und von dem Volke
umringt, als alle möglichen Ehrentitel auf ſie
niederregneten: Landfriedenbrecher, Freiſchärler,
Räuber, Buben waren noch die mildeſten Aus¬
rufe, die ſie zu hören bekamen. Zudem wurden
ſie von vorn und hinten betrachtet wie wilde
Thiere und je ſolider ſie in ihrer Tracht und
Haltung ausſahen, deſto erboſter ſchienen die
Bauern darüber zu werden, daß ſolche Leute ſolche
Streiche machten.

So hatten ſie nun nichts weiter zu thun,
als zu ſtehen oder zu gehen, wo und wie man
ihnen befahl, hierhin, dorthin, wie es dem viel¬
köpfigen Souverain beliebte, welchem ſie ſein
Recht hatten nehmen wollen. Und er übte es
jetzt in reichlichem Maße aus und es fehlte nicht
an Knüffen und Püffen, wenn die Herren Ge¬
fangenen ſich trotzig zeigten oder nicht gehorchen
wollten. Jeder ſchrie ihnen eine gute Lehre zu:
»Wäret Ihr zu Hauſe geblieben, ſo brauchtet
Ihr uns nicht zu gehorchen! Wer hat Euch
hergerufen? Da Ihr uns regieren wolltet, ſo
wollen wir nun Euch auch regieren, Ihr Spitz¬
buben! Was bezieht Ihr für Gehalt für Euer

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[170/0182] Kaum waren ſie entwaffnet und von dem Volke umringt, als alle möglichen Ehrentitel auf ſie niederregneten: Landfriedenbrecher, Freiſchärler, Räuber, Buben waren noch die mildeſten Aus¬ rufe, die ſie zu hören bekamen. Zudem wurden ſie von vorn und hinten betrachtet wie wilde Thiere und je ſolider ſie in ihrer Tracht und Haltung ausſahen, deſto erboſter ſchienen die Bauern darüber zu werden, daß ſolche Leute ſolche Streiche machten. So hatten ſie nun nichts weiter zu thun, als zu ſtehen oder zu gehen, wo und wie man ihnen befahl, hierhin, dorthin, wie es dem viel¬ köpfigen Souverain beliebte, welchem ſie ſein Recht hatten nehmen wollen. Und er übte es jetzt in reichlichem Maße aus und es fehlte nicht an Knüffen und Püffen, wenn die Herren Ge¬ fangenen ſich trotzig zeigten oder nicht gehorchen wollten. Jeder ſchrie ihnen eine gute Lehre zu: »Wäret Ihr zu Hauſe geblieben, ſo brauchtet Ihr uns nicht zu gehorchen! Wer hat Euch hergerufen? Da Ihr uns regieren wolltet, ſo wollen wir nun Euch auch regieren, Ihr Spitz¬ buben! Was bezieht Ihr für Gehalt für Euer

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/182>, abgerufen am 27.11.2024.