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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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ausginge, um die Arbeiter anzutreiben. So ließ
sie ihn auch gehen ohne Einwendung, da es ihr
widerstand, den hübschen jungen Burschen von
solcher ersten Muthesäußerung abzuhalten, ehe
die Zeit und die Erfahrung ihn selber belehrt.
Vielmehr sah sie ihm durch das Fenster wohlge¬
fällig nach, als er so leicht und froh dahinschritt.
Doch ging sie nicht einmal ganz an das Fenster,
sondern blieb in der Mitte der Stube stehen und
schaute von da aus hin. Übrigens war sie selbst
muthigen Charakters und hegte nicht sonderliche
Sorgen, zumal sie wohl wußte, wie diese Aus¬
züge von Seldwyla abzulaufen pflegten.

Fritz kam denn auch richtig schon am andern
Morgen ganz in der Frühe wieder an und stahl
sich ziemlich verschämt in das Haus. Er war
ermüdet, überwacht, von vielem Weintrinken ab¬
gespannt und schlechter Laune und hatte nicht
das Mindeste erlebt oder ausgerichtet, außer daß
er seinen feinen Rock verdorben durch das Her¬
umlungern und sein Geldbeutel geleert war.

Als seine Mutter dies bemerkte und als sie
überdies sah, daß er nicht wie die Andern, die
inzwischen auch gruppenweise zurückgeschlendert

ausginge, um die Arbeiter anzutreiben. So ließ
ſie ihn auch gehen ohne Einwendung, da es ihr
widerſtand, den hübſchen jungen Burſchen von
ſolcher erſten Muthesäußerung abzuhalten, ehe
die Zeit und die Erfahrung ihn ſelber belehrt.
Vielmehr ſah ſie ihm durch das Fenſter wohlge¬
fällig nach, als er ſo leicht und froh dahinſchritt.
Doch ging ſie nicht einmal ganz an das Fenſter,
ſondern blieb in der Mitte der Stube ſtehen und
ſchaute von da aus hin. Übrigens war ſie ſelbſt
muthigen Charakters und hegte nicht ſonderliche
Sorgen, zumal ſie wohl wußte, wie dieſe Aus¬
züge von Seldwyla abzulaufen pflegten.

Fritz kam denn auch richtig ſchon am andern
Morgen ganz in der Frühe wieder an und ſtahl
ſich ziemlich verſchämt in das Haus. Er war
ermüdet, überwacht, von vielem Weintrinken ab¬
geſpannt und ſchlechter Laune und hatte nicht
das Mindeſte erlebt oder ausgerichtet, außer daß
er ſeinen feinen Rock verdorben durch das Her¬
umlungern und ſein Geldbeutel geleert war.

Als ſeine Mutter dies bemerkte und als ſie
überdies ſah, daß er nicht wie die Andern, die
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[163/0175] ausginge, um die Arbeiter anzutreiben. So ließ ſie ihn auch gehen ohne Einwendung, da es ihr widerſtand, den hübſchen jungen Burſchen von ſolcher erſten Muthesäußerung abzuhalten, ehe die Zeit und die Erfahrung ihn ſelber belehrt. Vielmehr ſah ſie ihm durch das Fenſter wohlge¬ fällig nach, als er ſo leicht und froh dahinſchritt. Doch ging ſie nicht einmal ganz an das Fenſter, ſondern blieb in der Mitte der Stube ſtehen und ſchaute von da aus hin. Übrigens war ſie ſelbſt muthigen Charakters und hegte nicht ſonderliche Sorgen, zumal ſie wohl wußte, wie dieſe Aus¬ züge von Seldwyla abzulaufen pflegten. Fritz kam denn auch richtig ſchon am andern Morgen ganz in der Frühe wieder an und ſtahl ſich ziemlich verſchämt in das Haus. Er war ermüdet, überwacht, von vielem Weintrinken ab¬ geſpannt und ſchlechter Laune und hatte nicht das Mindeſte erlebt oder ausgerichtet, außer daß er ſeinen feinen Rock verdorben durch das Her¬ umlungern und ſein Geldbeutel geleert war. Als ſeine Mutter dies bemerkte und als ſie überdies ſah, daß er nicht wie die Andern, die inzwiſchen auch gruppenweiſe zurückgeſchlendert

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/175>, abgerufen am 28.11.2024.