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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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sogleich nach Hause, denn es war eben die höchste
Zeit und der Trupp im Begriff aufzubrechen.
Zu Hause zog er seine besten Kleider an, steckte
genugsam Geld zu sich, hing seine Patrontasche
um und ergriff sein wohl im Stand gehaltenes
Infanteriegewehr, denn da er bereits ein ordent¬
licher und handfester junger Flügelmann war,
dachte er nicht daran, mit einer kostbaren Schüt¬
zenwaffe zu prahlen, die er nicht zu handhaben
verstand, sondern aufrichtig und emsig sein leich¬
tes Gewehr zu laden und loszubrennen, sobald
er irgend vor den Mann kommen würde; und
er sah sehnsüchtig im Geiste schon nichts anderes
mehr, als den letzten Hügel, die letzte Straßen¬
ecke, um welche herumbiegend man den verha߬
ten Gegner erblicken und es losgehen würde mit
Puffen und Knallen.

Er nahm nicht das geringste Gepäck mit
und verabschiedete sich kaum bei der Mutter, die
ihm aufgebracht und mit klopfendem Herzen aber
schweigend zusah. "Adieu! sagte er, morgen
oder übermorgen früh spätestens sind wir wieder
hier!" und ging weg, ohne ihr nur die Hand
zu geben, als ob er nur in den Steinbruch hin¬

ſogleich nach Hauſe, denn es war eben die höchſte
Zeit und der Trupp im Begriff aufzubrechen.
Zu Hauſe zog er ſeine beſten Kleider an, ſteckte
genugſam Geld zu ſich, hing ſeine Patrontaſche
um und ergriff ſein wohl im Stand gehaltenes
Infanteriegewehr, denn da er bereits ein ordent¬
licher und handfeſter junger Flügelmann war,
dachte er nicht daran, mit einer koſtbaren Schüt¬
zenwaffe zu prahlen, die er nicht zu handhaben
verſtand, ſondern aufrichtig und emſig ſein leich¬
tes Gewehr zu laden und loszubrennen, ſobald
er irgend vor den Mann kommen würde; und
er ſah ſehnſüchtig im Geiſte ſchon nichts anderes
mehr, als den letzten Hügel, die letzte Straßen¬
ecke, um welche herumbiegend man den verha߬
ten Gegner erblicken und es losgehen würde mit
Puffen und Knallen.

Er nahm nicht das geringſte Gepäck mit
und verabſchiedete ſich kaum bei der Mutter, die
ihm aufgebracht und mit klopfendem Herzen aber
ſchweigend zuſah. »Adieu! ſagte er, morgen
oder übermorgen früh ſpäteſtens ſind wir wieder
hier!« und ging weg, ohne ihr nur die Hand
zu geben, als ob er nur in den Steinbruch hin¬

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[162/0174] ſogleich nach Hauſe, denn es war eben die höchſte Zeit und der Trupp im Begriff aufzubrechen. Zu Hauſe zog er ſeine beſten Kleider an, ſteckte genugſam Geld zu ſich, hing ſeine Patrontaſche um und ergriff ſein wohl im Stand gehaltenes Infanteriegewehr, denn da er bereits ein ordent¬ licher und handfeſter junger Flügelmann war, dachte er nicht daran, mit einer koſtbaren Schüt¬ zenwaffe zu prahlen, die er nicht zu handhaben verſtand, ſondern aufrichtig und emſig ſein leich¬ tes Gewehr zu laden und loszubrennen, ſobald er irgend vor den Mann kommen würde; und er ſah ſehnſüchtig im Geiſte ſchon nichts anderes mehr, als den letzten Hügel, die letzte Straßen¬ ecke, um welche herumbiegend man den verha߬ ten Gegner erblicken und es losgehen würde mit Puffen und Knallen. Er nahm nicht das geringſte Gepäck mit und verabſchiedete ſich kaum bei der Mutter, die ihm aufgebracht und mit klopfendem Herzen aber ſchweigend zuſah. »Adieu! ſagte er, morgen oder übermorgen früh ſpäteſtens ſind wir wieder hier!« und ging weg, ohne ihr nur die Hand zu geben, als ob er nur in den Steinbruch hin¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/174>, abgerufen am 28.11.2024.