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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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von Stund an alle ihre Treue und Hoffnung
auf den kleinen Sankt Georg zu setzen und ihm
seine junge Ritterlichkeit zu vergelten. "Wenn
die zwei Schlafkappen, dachte sie, welche nichts
desto minder meine Kinder sind, dann auch mit¬
gehen wollen auf einem guten Wege, so mögen
sie es thun."

Am nächsten Morgen schien Fritzchen den
Vorfall schon vergessen zu haben, und so alt
auch die Mutter und der Sohn wurden, so ward
doch nie mehr mit einer Silbe desselben erwähnt
zwischen ihnen. Der Sohn behielt ihn nichts
desto weniger in deutlicher Erinnerung, obgleich
er viel spätere Erlebnisse mit der Zeit gänzlich
vergaß. Er erinnerte sich genau, schon bei dem
Eintritte des Werkführers erwacht zu sein, da
er trotz eines gesunden Schlafes alles hörte und
ein wachsames Bürschchen war. Er hatte sodann
jedes Wort der Unterredung, bis sie bedenklich
wurde, gehört, und ohne etwas davon zu ver¬
stehen, doch etwas Gefährliches und Ungehöriges
geahnt und war in eine heftige Angst um seine
Mutter verfallen, so daß er, als er das leise
Ringen mehr fühlte als hörte, aufsprang um ihr

von Stund an alle ihre Treue und Hoffnung
auf den kleinen Sankt Georg zu ſetzen und ihm
ſeine junge Ritterlichkeit zu vergelten. »Wenn
die zwei Schlafkappen, dachte ſie, welche nichts
deſto minder meine Kinder ſind, dann auch mit¬
gehen wollen auf einem guten Wege, ſo mögen
ſie es thun.«

Am nächſten Morgen ſchien Fritzchen den
Vorfall ſchon vergeſſen zu haben, und ſo alt
auch die Mutter und der Sohn wurden, ſo ward
doch nie mehr mit einer Silbe deſſelben erwähnt
zwiſchen ihnen. Der Sohn behielt ihn nichts
deſto weniger in deutlicher Erinnerung, obgleich
er viel ſpätere Erlebniſſe mit der Zeit gänzlich
vergaß. Er erinnerte ſich genau, ſchon bei dem
Eintritte des Werkführers erwacht zu ſein, da
er trotz eines geſunden Schlafes alles hörte und
ein wachſames Bürſchchen war. Er hatte ſodann
jedes Wort der Unterredung, bis ſie bedenklich
wurde, gehört, und ohne etwas davon zu ver¬
ſtehen, doch etwas Gefährliches und Ungehöriges
geahnt und war in eine heftige Angſt um ſeine
Mutter verfallen, ſo daß er, als er das leiſe
Ringen mehr fühlte als hörte, aufſprang um ihr

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[127/0139] von Stund an alle ihre Treue und Hoffnung auf den kleinen Sankt Georg zu ſetzen und ihm ſeine junge Ritterlichkeit zu vergelten. »Wenn die zwei Schlafkappen, dachte ſie, welche nichts deſto minder meine Kinder ſind, dann auch mit¬ gehen wollen auf einem guten Wege, ſo mögen ſie es thun.« Am nächſten Morgen ſchien Fritzchen den Vorfall ſchon vergeſſen zu haben, und ſo alt auch die Mutter und der Sohn wurden, ſo ward doch nie mehr mit einer Silbe deſſelben erwähnt zwiſchen ihnen. Der Sohn behielt ihn nichts deſto weniger in deutlicher Erinnerung, obgleich er viel ſpätere Erlebniſſe mit der Zeit gänzlich vergaß. Er erinnerte ſich genau, ſchon bei dem Eintritte des Werkführers erwacht zu ſein, da er trotz eines geſunden Schlafes alles hörte und ein wachſames Bürſchchen war. Er hatte ſodann jedes Wort der Unterredung, bis ſie bedenklich wurde, gehört, und ohne etwas davon zu ver¬ ſtehen, doch etwas Gefährliches und Ungehöriges geahnt und war in eine heftige Angſt um ſeine Mutter verfallen, ſo daß er, als er das leiſe Ringen mehr fühlte als hörte, aufſprang um ihr

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/139>, abgerufen am 12.12.2024.