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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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wacker herumgeschlagen, eine Flasche kräftigen
Wein getrunken. Während er ihr Bericht er¬
stattete und dann in den Papieren mit ihr rech¬
nete, blickte er sie oftmals unversehens an und
wurde zerstreut und aufgeregt, wie Einer, der
etwas vor hat. Sie rückte mit ihrem Sessel
etwas zur Seite und begann sich in Acht zu
nehmen, dabei kaum ein feines Lächeln unter¬
drückend, wie aus Spott über die plötzliche Un¬
ternehmungslust des jungen Mannes. Dieser
aber faßte allerdings plötzlich ihre beiden Hände
und suchte die hübsche Frau an sich zu ziehen,
indem er zugleich im gleichen halblauten Tone,
in welchem sie der schlafenden Kinder wegen die
ganze Verhandlung geführt hatten, so heftig und
feurig anfing zu schmeicheln und zuzureden, ihr
Leben doch nicht so öde und unbenutzt entfliehen
zu lassen, sondern klug zu sein und sich seiner
treuen Ergebenheit zu erfreuen. Sie wagte keine
rasche Bewegung und kein lautes Wort, aus
Furcht, die Kinder zur Unzeit zu wecken; doch
flüsterte sie voll Zorn, er solle ihre Hände frei
lassen und augenblicklich hinausgehen. Er ließ
sie aber nicht frei, sondern faßte sie nur um so

wacker herumgeſchlagen, eine Flaſche kräftigen
Wein getrunken. Während er ihr Bericht er¬
ſtattete und dann in den Papieren mit ihr rech¬
nete, blickte er ſie oftmals unverſehens an und
wurde zerſtreut und aufgeregt, wie Einer, der
etwas vor hat. Sie rückte mit ihrem Seſſel
etwas zur Seite und begann ſich in Acht zu
nehmen, dabei kaum ein feines Lächeln unter¬
drückend, wie aus Spott über die plötzliche Un¬
ternehmungsluſt des jungen Mannes. Dieſer
aber faßte allerdings plötzlich ihre beiden Hände
und ſuchte die hübſche Frau an ſich zu ziehen,
indem er zugleich im gleichen halblauten Tone,
in welchem ſie der ſchlafenden Kinder wegen die
ganze Verhandlung geführt hatten, ſo heftig und
feurig anfing zu ſchmeicheln und zuzureden, ihr
Leben doch nicht ſo öde und unbenutzt entfliehen
zu laſſen, ſondern klug zu ſein und ſich ſeiner
treuen Ergebenheit zu erfreuen. Sie wagte keine
raſche Bewegung und kein lautes Wort, aus
Furcht, die Kinder zur Unzeit zu wecken; doch
flüſterte ſie voll Zorn, er ſolle ihre Hände frei
laſſen und augenblicklich hinausgehen. Er ließ
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[122/0134] wacker herumgeſchlagen, eine Flaſche kräftigen Wein getrunken. Während er ihr Bericht er¬ ſtattete und dann in den Papieren mit ihr rech¬ nete, blickte er ſie oftmals unverſehens an und wurde zerſtreut und aufgeregt, wie Einer, der etwas vor hat. Sie rückte mit ihrem Seſſel etwas zur Seite und begann ſich in Acht zu nehmen, dabei kaum ein feines Lächeln unter¬ drückend, wie aus Spott über die plötzliche Un¬ ternehmungsluſt des jungen Mannes. Dieſer aber faßte allerdings plötzlich ihre beiden Hände und ſuchte die hübſche Frau an ſich zu ziehen, indem er zugleich im gleichen halblauten Tone, in welchem ſie der ſchlafenden Kinder wegen die ganze Verhandlung geführt hatten, ſo heftig und feurig anfing zu ſchmeicheln und zuzureden, ihr Leben doch nicht ſo öde und unbenutzt entfliehen zu laſſen, ſondern klug zu ſein und ſich ſeiner treuen Ergebenheit zu erfreuen. Sie wagte keine raſche Bewegung und kein lautes Wort, aus Furcht, die Kinder zur Unzeit zu wecken; doch flüſterte ſie voll Zorn, er ſolle ihre Hände frei laſſen und augenblicklich hinausgehen. Er ließ ſie aber nicht frei, ſondern faßte ſie nur um ſo

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/134>, abgerufen am 12.12.2024.