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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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zwischen war er aber ein Mensch und dachte
daher vor Allem an sich selber und in diesem
Denken hatte er es nicht übel gefunden, selber der
Herr und Meister hier zu sein und sich eine blei¬
bende Stätte zu gründen, daher auch in aller
Ehrerbietung der Frau Regula wiederholt nahe
gelegt, eine gesetzliche Scheidung von ihrem ab¬
wesenden Manne herbeizuführen.

Sie hatte ihn wohl verstanden; doch wider¬
strebte es ihrem Stolz, sich öffentlich und mit
schimpflichen Beweisgründen von einem Manne
zu trennen, der ihr einmal Wohlgefallen, mit
dem sie gelebt und von dem sie drei Kinder
hatte, und in der Sorge für diese Kinder wollte
sie auch keinen fremden Mann über das Haus
setzen und wenigstens die äußere Einheit des¬
selben bewahren, bis die Söhne herangewachsen
und ein unzersplittertes Erbe aus ihrer Hand
empfingen; denn ein solches gedachte sie trotz
aller Schwierigkeiten zusammenzubringen und den
Hiesigen zu zeigen, was da Brauch sei, wo sie
hergekommen. Sie hielt daher den Werkführer
knapp im Zügel und brachte sich dadurch nur in
größere Verlegenheit; denn als derselbe ihren

zwiſchen war er aber ein Menſch und dachte
daher vor Allem an ſich ſelber und in dieſem
Denken hatte er es nicht übel gefunden, ſelber der
Herr und Meiſter hier zu ſein und ſich eine blei¬
bende Stätte zu gründen, daher auch in aller
Ehrerbietung der Frau Regula wiederholt nahe
gelegt, eine geſetzliche Scheidung von ihrem ab¬
weſenden Manne herbeizuführen.

Sie hatte ihn wohl verſtanden; doch wider¬
ſtrebte es ihrem Stolz, ſich öffentlich und mit
ſchimpflichen Beweisgründen von einem Manne
zu trennen, der ihr einmal Wohlgefallen, mit
dem ſie gelebt und von dem ſie drei Kinder
hatte, und in der Sorge für dieſe Kinder wollte
ſie auch keinen fremden Mann über das Haus
ſetzen und wenigſtens die äußere Einheit des¬
ſelben bewahren, bis die Söhne herangewachſen
und ein unzerſplittertes Erbe aus ihrer Hand
empfingen; denn ein ſolches gedachte ſie trotz
aller Schwierigkeiten zuſammenzubringen und den
Hieſigen zu zeigen, was da Brauch ſei, wo ſie
hergekommen. Sie hielt daher den Werkführer
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[120/0132] zwiſchen war er aber ein Menſch und dachte daher vor Allem an ſich ſelber und in dieſem Denken hatte er es nicht übel gefunden, ſelber der Herr und Meiſter hier zu ſein und ſich eine blei¬ bende Stätte zu gründen, daher auch in aller Ehrerbietung der Frau Regula wiederholt nahe gelegt, eine geſetzliche Scheidung von ihrem ab¬ weſenden Manne herbeizuführen. Sie hatte ihn wohl verſtanden; doch wider¬ ſtrebte es ihrem Stolz, ſich öffentlich und mit ſchimpflichen Beweisgründen von einem Manne zu trennen, der ihr einmal Wohlgefallen, mit dem ſie gelebt und von dem ſie drei Kinder hatte, und in der Sorge für dieſe Kinder wollte ſie auch keinen fremden Mann über das Haus ſetzen und wenigſtens die äußere Einheit des¬ ſelben bewahren, bis die Söhne herangewachſen und ein unzerſplittertes Erbe aus ihrer Hand empfingen; denn ein ſolches gedachte ſie trotz aller Schwierigkeiten zuſammenzubringen und den Hieſigen zu zeigen, was da Brauch ſei, wo ſie hergekommen. Sie hielt daher den Werkführer knapp im Zügel und brachte ſich dadurch nur in größere Verlegenheit; denn als derſelbe ihren

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/132>, abgerufen am 05.12.2024.