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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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höchlich verwundert über seine Meinungen und
Thaten. Er verließ mit ihnen das Städtchen
Seldwyla und zog in den Hauptort des Kan¬
tons, wo er Gelegenheit fand, mit seinen Er¬
fahrungen und Kenntnissen ein dem Lande nütz¬
licher Mann zu sein und zu bleiben, und er
ward sowohl dieser Tüchtigkeit, als seiner unver¬
wüstlichen ruhigen Freundlichkeit wegen geachtet
und beliebt; denn nie mehr zeigte sich ein Rück¬
fall in das frühere Wesen.

Nur ärgerten sich Estherchen und die Mutter,
daß ihnen die Geschichte mit der Lydia entgan¬
gen war und wünschten unaufhörlich deren Wie¬
derholung. Allein Pankraz sagte, hätten sie da¬
mals nicht geschlafen, so hätten sie dieselbe erfah¬
ren; er habe sie ein Mal erzählt und werde
es nie wieder thun, es sei das erste und letzte
Mal, daß er überhaupt gegen Jemanden von
diesem Liebeshandel gesprochen und damit Punk¬
tum. Nun wollten sie wenigstens den Namen
jener Dame wissen, welcher ihnen wegen seiner
Fremdartigkeit wieder entfallen war, und fragten
unaufhörlich: Wie hieß sie denn nur? Aber
Pankraz erwiederte eben so unaufhörlich: Hättet

höchlich verwundert über ſeine Meinungen und
Thaten. Er verließ mit ihnen das Städtchen
Seldwyla und zog in den Hauptort des Kan¬
tons, wo er Gelegenheit fand, mit ſeinen Er¬
fahrungen und Kenntniſſen ein dem Lande nütz¬
licher Mann zu ſein und zu bleiben, und er
ward ſowohl dieſer Tüchtigkeit, als ſeiner unver¬
wüſtlichen ruhigen Freundlichkeit wegen geachtet
und beliebt; denn nie mehr zeigte ſich ein Rück¬
fall in das frühere Weſen.

Nur ärgerten ſich Eſtherchen und die Mutter,
daß ihnen die Geſchichte mit der Lydia entgan¬
gen war und wünſchten unaufhörlich deren Wie¬
derholung. Allein Pankraz ſagte, hätten ſie da¬
mals nicht geſchlafen, ſo hätten ſie dieſelbe erfah¬
ren; er habe ſie ein Mal erzählt und werde
es nie wieder thun, es ſei das erſte und letzte
Mal, daß er überhaupt gegen Jemanden von
dieſem Liebeshandel geſprochen und damit Punk¬
tum. Nun wollten ſie wenigſtens den Namen
jener Dame wiſſen, welcher ihnen wegen ſeiner
Fremdartigkeit wieder entfallen war, und fragten
unaufhörlich: Wie hieß ſie denn nur? Aber
Pankraz erwiederte eben ſo unaufhörlich: Hättet

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[111/0123] höchlich verwundert über ſeine Meinungen und Thaten. Er verließ mit ihnen das Städtchen Seldwyla und zog in den Hauptort des Kan¬ tons, wo er Gelegenheit fand, mit ſeinen Er¬ fahrungen und Kenntniſſen ein dem Lande nütz¬ licher Mann zu ſein und zu bleiben, und er ward ſowohl dieſer Tüchtigkeit, als ſeiner unver¬ wüſtlichen ruhigen Freundlichkeit wegen geachtet und beliebt; denn nie mehr zeigte ſich ein Rück¬ fall in das frühere Weſen. Nur ärgerten ſich Eſtherchen und die Mutter, daß ihnen die Geſchichte mit der Lydia entgan¬ gen war und wünſchten unaufhörlich deren Wie¬ derholung. Allein Pankraz ſagte, hätten ſie da¬ mals nicht geſchlafen, ſo hätten ſie dieſelbe erfah¬ ren; er habe ſie ein Mal erzählt und werde es nie wieder thun, es ſei das erſte und letzte Mal, daß er überhaupt gegen Jemanden von dieſem Liebeshandel geſprochen und damit Punk¬ tum. Nun wollten ſie wenigſtens den Namen jener Dame wiſſen, welcher ihnen wegen ſeiner Fremdartigkeit wieder entfallen war, und fragten unaufhörlich: Wie hieß ſie denn nur? Aber Pankraz erwiederte eben ſo unaufhörlich: Hättet

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/123>, abgerufen am 12.12.2024.