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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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Kampfplatz getaumelt wäre und dem Löwen, ohne
weitere Vorsicht, beide Kugeln in das Ohr ge¬
schossen hätte. Er streckte sich aus und sprang
wieder auf, es war noch ein Schuß aus einer
der beiden Musketen nöthig, ihn abermals hin¬
zustrecken und endlich zerschlugen wir alle drei
unsere Kolben an dem Teufel, so zäh und wild
war sein Leben. Es hatte merkwürdiger Weise
keiner Schaden genommen, selbst der nicht, der
unter dem Löwen gelegen, ausgenommen seinen
zerrissenen Rock und einige tüchtige Schrammen
auf der Schulter. So war die Sache für das¬
mal glücklich abgelaufen und wir hatten obenein
den lange gesuchten Löwen erlegt. Ein wenig
Wein und Brod stellte meinen guten Muth vol¬
lends wieder her und ich lachte wie ein Narr
mit den guten Soldaten, welche über die Freund¬
lichkeit und Gesprächigkeit ihres bösen Obersten
sehr verwundert und erbaut waren."

"Noch in selber Woche aber führte ich mein
Gelübde aus, kam um meine Entlassung ein,
und so bin ich nun hier!"

So lautete die Geschichte von Pankrazens
Leben und Bekehrung, und seine Leutchen waren

Kampfplatz getaumelt wäre und dem Löwen, ohne
weitere Vorſicht, beide Kugeln in das Ohr ge¬
ſchoſſen hätte. Er ſtreckte ſich aus und ſprang
wieder auf, es war noch ein Schuß aus einer
der beiden Musketen nöthig, ihn abermals hin¬
zuſtrecken und endlich zerſchlugen wir alle drei
unſere Kolben an dem Teufel, ſo zäh und wild
war ſein Leben. Es hatte merkwürdiger Weiſe
keiner Schaden genommen, ſelbſt der nicht, der
unter dem Löwen gelegen, ausgenommen ſeinen
zerriſſenen Rock und einige tüchtige Schrammen
auf der Schulter. So war die Sache für das¬
mal glücklich abgelaufen und wir hatten obenein
den lange geſuchten Löwen erlegt. Ein wenig
Wein und Brod ſtellte meinen guten Muth vol¬
lends wieder her und ich lachte wie ein Narr
mit den guten Soldaten, welche über die Freund¬
lichkeit und Geſprächigkeit ihres böſen Oberſten
ſehr verwundert und erbaut waren.«

»Noch in ſelber Woche aber führte ich mein
Gelübde aus, kam um meine Entlaſſung ein,
und ſo bin ich nun hier!«

So lautete die Geſchichte von Pankrazens
Leben und Bekehrung, und ſeine Leutchen waren

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[110/0122] Kampfplatz getaumelt wäre und dem Löwen, ohne weitere Vorſicht, beide Kugeln in das Ohr ge¬ ſchoſſen hätte. Er ſtreckte ſich aus und ſprang wieder auf, es war noch ein Schuß aus einer der beiden Musketen nöthig, ihn abermals hin¬ zuſtrecken und endlich zerſchlugen wir alle drei unſere Kolben an dem Teufel, ſo zäh und wild war ſein Leben. Es hatte merkwürdiger Weiſe keiner Schaden genommen, ſelbſt der nicht, der unter dem Löwen gelegen, ausgenommen ſeinen zerriſſenen Rock und einige tüchtige Schrammen auf der Schulter. So war die Sache für das¬ mal glücklich abgelaufen und wir hatten obenein den lange geſuchten Löwen erlegt. Ein wenig Wein und Brod ſtellte meinen guten Muth vol¬ lends wieder her und ich lachte wie ein Narr mit den guten Soldaten, welche über die Freund¬ lichkeit und Geſprächigkeit ihres böſen Oberſten ſehr verwundert und erbaut waren.« »Noch in ſelber Woche aber führte ich mein Gelübde aus, kam um meine Entlaſſung ein, und ſo bin ich nun hier!« So lautete die Geſchichte von Pankrazens Leben und Bekehrung, und ſeine Leutchen waren

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/122>, abgerufen am 05.12.2024.