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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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war eine Patrouille, die ausgesandt war mich
zu suchen, da sich Geschäfte eingestellt hatten.
Sie trugen ihre Ordonnanzgewehre auf der Schul¬
ter und ich sah gleichzeitig dieselben vor mir
aufblitzen gleich einer himmlischen Gnadensonne,
als auch mein Widersacher ihre Schritte hörte
in der Stille der Landschaft; denn sie hatten
schon von weitem etwas bemerkt und waren so
leise als möglich gegangen. Plötzlich schrieen sie
jetzt: Eh la canaille! quel drole de canaille!
Der Löwe wandte sich um, sprang empor, sperrte
wüthend den Rachen auf, erboßt wie ein Satan,
und war einen Augenblick lang unschlüssig, auf
wen er sich zuerst stürzen solle. Als aber die
zwei Soldaten als brave lustige Franzosen ohne
sich zu besinnen auf ihn zusprangen, that er
einen Satz gegen sie. Im gleichen Augenblick
lag auch der Eine unter seinen Tatzen und es
wäre ihm schlecht ergangen, wenn nicht der an¬
dere im gleichen Augenblicke dem Thier das Ba¬
jonett ein halbes Dutzend mal in die Flanke
gestoßen hätte. Aber auch diesem würde es
schließlich schlimm ergangen sein, wenn ich nicht
endlich auf meine Büchse zugesprungen, auf den

war eine Patrouille, die ausgeſandt war mich
zu ſuchen, da ſich Geſchäfte eingeſtellt hatten.
Sie trugen ihre Ordonnanzgewehre auf der Schul¬
ter und ich ſah gleichzeitig dieſelben vor mir
aufblitzen gleich einer himmliſchen Gnadenſonne,
als auch mein Widerſacher ihre Schritte hörte
in der Stille der Landſchaft; denn ſie hatten
ſchon von weitem etwas bemerkt und waren ſo
leiſe als möglich gegangen. Plötzlich ſchrieen ſie
jetzt: Eh la canaille! quel drôle de canaille!
Der Löwe wandte ſich um, ſprang empor, ſperrte
wüthend den Rachen auf, erboßt wie ein Satan,
und war einen Augenblick lang unſchlüſſig, auf
wen er ſich zuerſt ſtürzen ſolle. Als aber die
zwei Soldaten als brave luſtige Franzoſen ohne
ſich zu beſinnen auf ihn zuſprangen, that er
einen Satz gegen ſie. Im gleichen Augenblick
lag auch der Eine unter ſeinen Tatzen und es
wäre ihm ſchlecht ergangen, wenn nicht der an¬
dere im gleichen Augenblicke dem Thier das Ba¬
jonett ein halbes Dutzend mal in die Flanke
geſtoßen hätte. Aber auch dieſem würde es
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[109/0121] war eine Patrouille, die ausgeſandt war mich zu ſuchen, da ſich Geſchäfte eingeſtellt hatten. Sie trugen ihre Ordonnanzgewehre auf der Schul¬ ter und ich ſah gleichzeitig dieſelben vor mir aufblitzen gleich einer himmliſchen Gnadenſonne, als auch mein Widerſacher ihre Schritte hörte in der Stille der Landſchaft; denn ſie hatten ſchon von weitem etwas bemerkt und waren ſo leiſe als möglich gegangen. Plötzlich ſchrieen ſie jetzt: Eh la canaille! quel drôle de canaille! Der Löwe wandte ſich um, ſprang empor, ſperrte wüthend den Rachen auf, erboßt wie ein Satan, und war einen Augenblick lang unſchlüſſig, auf wen er ſich zuerſt ſtürzen ſolle. Als aber die zwei Soldaten als brave luſtige Franzoſen ohne ſich zu beſinnen auf ihn zuſprangen, that er einen Satz gegen ſie. Im gleichen Augenblick lag auch der Eine unter ſeinen Tatzen und es wäre ihm ſchlecht ergangen, wenn nicht der an¬ dere im gleichen Augenblicke dem Thier das Ba¬ jonett ein halbes Dutzend mal in die Flanke geſtoßen hätte. Aber auch dieſem würde es ſchließlich ſchlimm ergangen ſein, wenn ich nicht endlich auf meine Büchſe zugeſprungen, auf den

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/121>, abgerufen am 12.12.2024.