Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.Ein Kloster lag weit ausschauend auf einem Die schönste von den Nonnen hieß Beatrix und Aber dazwischen schaute sie vielmals feuchten Blickes Als sie ihr Verlangen nicht länger bezwingen Ein Kloſter lag weit ausſchauend auf einem Die ſchönſte von den Nonnen hieß Beatrix und Aber dazwiſchen ſchaute ſie vielmals feuchten Blickes Als ſie ihr Verlangen nicht länger bezwingen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0083"/> <p><hi rendition="#in">E</hi>in Kloſter lag weit ausſchauend auf einem<lb/> Berge und ſeine Mauern glänzten über die Lande.<lb/> Innen aber war es voll Frauen, ſchöne und nicht<lb/> ſchöne, welche alle nach ſtrenger Regel dem Herrn<lb/> dienten und ſeiner jungfräulichen Mutter.</p><lb/> <p>Die ſchönſte von den Nonnen hieß Beatrix und<lb/> war die Küſterin des Kloſters. Herrlich gewachſen<lb/> von Geſtalt, that ſie edlen Ganges ihren Dienſt,<lb/> beſorgte Chor und Altar, waltete in der Sakriſtei<lb/> und läutete die Glocke vor dem Morgenroth und wenn<lb/> der Abendſtern aufging.</p><lb/> <p>Aber dazwiſchen ſchaute ſie vielmals feuchten Blickes<lb/> in das Weben der blauen Gefilde; ſie ſah Waffen<lb/> funkeln, hörte das Horn der Jäger aus den Wäldern<lb/> und den hellen Ruf der Männer, und ihre Bruſt<lb/> war voll Sehnſucht nach der Welt.</p><lb/> <p>Als ſie ihr Verlangen nicht länger bezwingen<lb/> konnte, ſtand ſie in einer mondhellen Juninacht auf,<lb/> bekleidete ſich mit neuen ſtarken Schuhen und trat<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0083]
Ein Kloſter lag weit ausſchauend auf einem
Berge und ſeine Mauern glänzten über die Lande.
Innen aber war es voll Frauen, ſchöne und nicht
ſchöne, welche alle nach ſtrenger Regel dem Herrn
dienten und ſeiner jungfräulichen Mutter.
Die ſchönſte von den Nonnen hieß Beatrix und
war die Küſterin des Kloſters. Herrlich gewachſen
von Geſtalt, that ſie edlen Ganges ihren Dienſt,
beſorgte Chor und Altar, waltete in der Sakriſtei
und läutete die Glocke vor dem Morgenroth und wenn
der Abendſtern aufging.
Aber dazwiſchen ſchaute ſie vielmals feuchten Blickes
in das Weben der blauen Gefilde; ſie ſah Waffen
funkeln, hörte das Horn der Jäger aus den Wäldern
und den hellen Ruf der Männer, und ihre Bruſt
war voll Sehnſucht nach der Welt.
Als ſie ihr Verlangen nicht länger bezwingen
konnte, ſtand ſie in einer mondhellen Juninacht auf,
bekleidete ſich mit neuen ſtarken Schuhen und trat
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