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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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sich in seine ursprünglichen Bestandtheile auflöste und
die umherstäubenden Mäusefellchen unter dem allgemei¬
nen Gelächter der Zuschauer die Luft verfinsterten, wäh¬
rend der Ritter allmählig wieder zu Tage kam und
als ein geschlagener Mann davonhinkte, nachdem sein
Besieger ihm die Nasenzöpfchen abgeschnitten hatte.

So war denn die Jungfrau als Zendelwald der
letzte Sieger auf dem Platze.

Sie schlug nun das Visier auf, schritt hinauf zur
Königin des Festes, beugte das Knie und legte die
Siegestrophäen zu deren Füßen. Dann erhob sie sich
und stellte einen Zendelwald dar, wie dieser gewöhn¬
lich zu blöde war, es zu sein. Ohne indessen seiner
Bescheidenheit zu viel zu vergeben, grüßte sie Ber¬
traden mit einem Blicke, von dessen Wirkung auf ein
Frauenherz sie sicher war; kurz, sie wußte sich als
Liebhaber wie als Ritter so zu benehmen, daß Ber¬
trade ihr Wort nicht zurücknahm, sondern dem Zu¬
reden des Kaisers, der am Ende froh war, einen so
tapfern und edlen Mann mächtig zu sehen, ein williges
Ohr lieh.

Es geschah jetzt ein großer Festzug nach dem hoch¬
ragenden Lindengarten, in welchem das Banket be¬
reitet war. Dort saß Bertrade zwischen dem Kaiser
und ihrem Zendelwald; aber es war gut, daß jenem
für eine schöne und muntere Nachbarin gesorgt war;

ſich in ſeine urſprünglichen Beſtandtheile auflöſte und
die umherſtäubenden Mäuſefellchen unter dem allgemei¬
nen Gelächter der Zuſchauer die Luft verfinſterten, wäh¬
rend der Ritter allmählig wieder zu Tage kam und
als ein geſchlagener Mann davonhinkte, nachdem ſein
Beſieger ihm die Naſenzöpfchen abgeſchnitten hatte.

So war denn die Jungfrau als Zendelwald der
letzte Sieger auf dem Platze.

Sie ſchlug nun das Viſier auf, ſchritt hinauf zur
Königin des Feſtes, beugte das Knie und legte die
Siegestrophäen zu deren Füßen. Dann erhob ſie ſich
und ſtellte einen Zendelwald dar, wie dieſer gewöhn¬
lich zu blöde war, es zu ſein. Ohne indeſſen ſeiner
Beſcheidenheit zu viel zu vergeben, grüßte ſie Ber¬
traden mit einem Blicke, von deſſen Wirkung auf ein
Frauenherz ſie ſicher war; kurz, ſie wußte ſich als
Liebhaber wie als Ritter ſo zu benehmen, daß Ber¬
trade ihr Wort nicht zurücknahm, ſondern dem Zu¬
reden des Kaiſers, der am Ende froh war, einen ſo
tapfern und edlen Mann mächtig zu ſehen, ein williges
Ohr lieh.

Es geſchah jetzt ein großer Feſtzug nach dem hoch¬
ragenden Lindengarten, in welchem das Banket be¬
reitet war. Dort ſaß Bertrade zwiſchen dem Kaiſer
und ihrem Zendelwald; aber es war gut, daß jenem
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[59/0073] ſich in ſeine urſprünglichen Beſtandtheile auflöſte und die umherſtäubenden Mäuſefellchen unter dem allgemei¬ nen Gelächter der Zuſchauer die Luft verfinſterten, wäh¬ rend der Ritter allmählig wieder zu Tage kam und als ein geſchlagener Mann davonhinkte, nachdem ſein Beſieger ihm die Naſenzöpfchen abgeſchnitten hatte. So war denn die Jungfrau als Zendelwald der letzte Sieger auf dem Platze. Sie ſchlug nun das Viſier auf, ſchritt hinauf zur Königin des Feſtes, beugte das Knie und legte die Siegestrophäen zu deren Füßen. Dann erhob ſie ſich und ſtellte einen Zendelwald dar, wie dieſer gewöhn¬ lich zu blöde war, es zu ſein. Ohne indeſſen ſeiner Beſcheidenheit zu viel zu vergeben, grüßte ſie Ber¬ traden mit einem Blicke, von deſſen Wirkung auf ein Frauenherz ſie ſicher war; kurz, ſie wußte ſich als Liebhaber wie als Ritter ſo zu benehmen, daß Ber¬ trade ihr Wort nicht zurücknahm, ſondern dem Zu¬ reden des Kaiſers, der am Ende froh war, einen ſo tapfern und edlen Mann mächtig zu ſehen, ein williges Ohr lieh. Es geſchah jetzt ein großer Feſtzug nach dem hoch¬ ragenden Lindengarten, in welchem das Banket be¬ reitet war. Dort ſaß Bertrade zwiſchen dem Kaiſer und ihrem Zendelwald; aber es war gut, daß jenem für eine ſchöne und muntere Nachbarin geſorgt war;

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/73>, abgerufen am 26.11.2024.