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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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sie in rasch folgendem Wechsel von Dingen, die das¬
selbe nichts angingen.

Die Mönche ehrten den Schlaf des Abtes als
eine Folge geistlicher Nachtwachen. Allein zuletzt
sahen sie sich genöthigt, Eugenias Schlummer zu unter¬
brechen, da es für sie etwas besonderes zu thun gab.
Eine vornehme Wittwe, welche krank und christlicher
Hilfe bedürftig darnieder zu liegen vorgab, hatte nach
ihr gesandt, den geistlichen Zuspruch und den Rath
des Abtes Eugenius verlangend, dessen Wirken und
Person sie seit geraumer Zeit verehrte. Die Mönche
wollten daher diese Eroberung nicht fahren lassen,
welche ihrer Kirche zu Ansehen verhalf, und sie weck¬
ten Eugenia. Halb verwirrt und mit hold gerötheten
Wangen, wie man sie lange nicht gesehen, machte sie
sich auf den Weg, mit ihren Gedanken mehr in den
Träumen des Morgenschlummers und unter den
nächtlichen Tempelsäulen verweilend, als bei dem,
was vor ihr lag. Sie betrat das Haus der Heidin
und wurde in deren Gemach geführt und mit ihr
allein gelassen. Ein schönes Weib von noch nicht
dreißig Jahren lag auf einem Ruhebette ausgestreckt,
allein nicht wie eine Kranke und Zerknirschte, sondern
glühend von Stolz und Lebenslust. Kaum vermochte
sie sich leidlich ruhig und bescheiden anzustellen, bis
der vermeintliche Mönch auf ihre Anordnung dicht

ſie in raſch folgendem Wechſel von Dingen, die das¬
ſelbe nichts angingen.

Die Mönche ehrten den Schlaf des Abtes als
eine Folge geiſtlicher Nachtwachen. Allein zuletzt
ſahen ſie ſich genöthigt, Eugenias Schlummer zu unter¬
brechen, da es für ſie etwas beſonderes zu thun gab.
Eine vornehme Wittwe, welche krank und chriſtlicher
Hilfe bedürftig darnieder zu liegen vorgab, hatte nach
ihr geſandt, den geiſtlichen Zuſpruch und den Rath
des Abtes Eugenius verlangend, deſſen Wirken und
Perſon ſie ſeit geraumer Zeit verehrte. Die Mönche
wollten daher dieſe Eroberung nicht fahren laſſen,
welche ihrer Kirche zu Anſehen verhalf, und ſie weck¬
ten Eugenia. Halb verwirrt und mit hold gerötheten
Wangen, wie man ſie lange nicht geſehen, machte ſie
ſich auf den Weg, mit ihren Gedanken mehr in den
Träumen des Morgenſchlummers und unter den
nächtlichen Tempelſäulen verweilend, als bei dem,
was vor ihr lag. Sie betrat das Haus der Heidin
und wurde in deren Gemach geführt und mit ihr
allein gelaſſen. Ein ſchönes Weib von noch nicht
dreißig Jahren lag auf einem Ruhebette ausgeſtreckt,
allein nicht wie eine Kranke und Zerknirſchte, ſondern
glühend von Stolz und Lebensluſt. Kaum vermochte
ſie ſich leidlich ruhig und beſcheiden anzuſtellen, bis
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[16/0030] ſie in raſch folgendem Wechſel von Dingen, die das¬ ſelbe nichts angingen. Die Mönche ehrten den Schlaf des Abtes als eine Folge geiſtlicher Nachtwachen. Allein zuletzt ſahen ſie ſich genöthigt, Eugenias Schlummer zu unter¬ brechen, da es für ſie etwas beſonderes zu thun gab. Eine vornehme Wittwe, welche krank und chriſtlicher Hilfe bedürftig darnieder zu liegen vorgab, hatte nach ihr geſandt, den geiſtlichen Zuſpruch und den Rath des Abtes Eugenius verlangend, deſſen Wirken und Perſon ſie ſeit geraumer Zeit verehrte. Die Mönche wollten daher dieſe Eroberung nicht fahren laſſen, welche ihrer Kirche zu Anſehen verhalf, und ſie weck¬ ten Eugenia. Halb verwirrt und mit hold gerötheten Wangen, wie man ſie lange nicht geſehen, machte ſie ſich auf den Weg, mit ihren Gedanken mehr in den Träumen des Morgenſchlummers und unter den nächtlichen Tempelſäulen verweilend, als bei dem, was vor ihr lag. Sie betrat das Haus der Heidin und wurde in deren Gemach geführt und mit ihr allein gelaſſen. Ein ſchönes Weib von noch nicht dreißig Jahren lag auf einem Ruhebette ausgeſtreckt, allein nicht wie eine Kranke und Zerknirſchte, ſondern glühend von Stolz und Lebensluſt. Kaum vermochte ſie ſich leidlich ruhig und beſcheiden anzuſtellen, bis der vermeintliche Mönch auf ihre Anordnung dicht

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/30>, abgerufen am 21.11.2024.