Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.Diese Sprache verstand er ganz und gar nicht, So zog sich der Zustand eine kleine Weile hin, Dieſe Sprache verſtand er ganz und gar nicht, So zog ſich der Zuſtand eine kleine Weile hin, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0144" n="130"/> <p>Dieſe Sprache verſtand er ganz und gar nicht,<lb/> ſie ärgerte und kränkte ihn und erfüllte ſein Herz<lb/> mit einer ſeltſam peinlichen Eiferſucht gegen den un¬<lb/> bekannten Gott, welcher den Sinn des ſchwachen<lb/> Weibes bethöre; denn er konnte die Ausdrucksweiſe<lb/> der aufgeregten und verlaſſenen Dorothea auf keine<lb/> andere, als auf alt mythologiſche Manier verſtehen<lb/> und erklären. Gegen einen Ueberirdiſchen aber eifer¬<lb/> ſüchtig zu ſein, verletzte ſeinen Stolz nicht mehr, ſo¬<lb/> wie auch das Mitleid für ein Weib verſtummte,<lb/> welches ſich der Vereinigung mit Göttern rühmte.<lb/> Und doch war es nur die fruchtloſe Liebe zu ihm,<lb/> welche ihr jene Reden in den Mund gab, ſowie er<lb/> ſelbſt den Stachel der Leidenſchaft fortwährend im<lb/> Herzen behielt.</p><lb/> <p>So zog ſich der Zuſtand eine kleine Weile hin,<lb/> als Fabrizius unverſehens denſelben gewaltſam an¬<lb/> packte. Erneuerte kaiſerliche Befehle zur Chriſten¬<lb/> verfolgung zum Vorwand nehmend, ließ er Dorothea<lb/> mit ihren Eltern gefangen ſetzen, die Tochter jedoch<lb/> getrennt in einen Kerker werfen und um ihren Glauben<lb/> peinlich verhören. Neugierig näherte er ſich ſelbſt<lb/> und hörte, wie ſie laut die alten Götter ſchmähte,<lb/> ſich zu Chriſto als dem alleinigen Herrn der Welt<lb/> bekannte, dem ſie als Braut anverlobt ſei. Da be¬<lb/> fiel auch den Statthalter eine grimmige Eiferſucht. Er<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [130/0144]
Dieſe Sprache verſtand er ganz und gar nicht,
ſie ärgerte und kränkte ihn und erfüllte ſein Herz
mit einer ſeltſam peinlichen Eiferſucht gegen den un¬
bekannten Gott, welcher den Sinn des ſchwachen
Weibes bethöre; denn er konnte die Ausdrucksweiſe
der aufgeregten und verlaſſenen Dorothea auf keine
andere, als auf alt mythologiſche Manier verſtehen
und erklären. Gegen einen Ueberirdiſchen aber eifer¬
ſüchtig zu ſein, verletzte ſeinen Stolz nicht mehr, ſo¬
wie auch das Mitleid für ein Weib verſtummte,
welches ſich der Vereinigung mit Göttern rühmte.
Und doch war es nur die fruchtloſe Liebe zu ihm,
welche ihr jene Reden in den Mund gab, ſowie er
ſelbſt den Stachel der Leidenſchaft fortwährend im
Herzen behielt.
So zog ſich der Zuſtand eine kleine Weile hin,
als Fabrizius unverſehens denſelben gewaltſam an¬
packte. Erneuerte kaiſerliche Befehle zur Chriſten¬
verfolgung zum Vorwand nehmend, ließ er Dorothea
mit ihren Eltern gefangen ſetzen, die Tochter jedoch
getrennt in einen Kerker werfen und um ihren Glauben
peinlich verhören. Neugierig näherte er ſich ſelbſt
und hörte, wie ſie laut die alten Götter ſchmähte,
ſich zu Chriſto als dem alleinigen Herrn der Welt
bekannte, dem ſie als Braut anverlobt ſei. Da be¬
fiel auch den Statthalter eine grimmige Eiferſucht. Er
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