Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.Frühlingstage auf das Landgut gefolgt. So hatte Sie wollte ihm die Vase zeigen, die ihr ein wohl¬ Aber die Alten haben vergessen, neben dem holden Als sie ihm die Schaale vertrauensvoll in die Frühlingstage auf das Landgut gefolgt. So hatte Sie wollte ihm die Vaſe zeigen, die ihr ein wohl¬ Aber die Alten haben vergeſſen, neben dem holden Als ſie ihm die Schaale vertrauensvoll in die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0140" n="126"/> Frühlingstage auf das Landgut gefolgt. So hatte<lb/> ſie ihn an dieſem Morgen auf mühevoll ausgedachte<lb/> und kluge Weiſe in die Laube zu bringen gewußt,<lb/> halb wie aus Zufall, halb wie mit freundlicher Ab¬<lb/> ſicht, daß beides ihn, das gute Geſchick und die er¬<lb/> zeigte Freundlichkeit, heiter und zutraulich ſtimmen<lb/> ſollten und es auch thaten.</p><lb/> <p>Sie wollte ihm die Vaſe zeigen, die ihr ein wohl¬<lb/> wollender Oheim zum Namensfeſt aus Trapezunt<lb/> herübergeſendet hatte. Ihr Geſicht ſtrahlte in reiner<lb/> Freude, den Geliebten ſo nah und einſam bei ſich<lb/> ſehen und ihm etwas Schönes zeigen zu können, und<lb/> auch ihm ward wirklich froh zu Muth; die Sonne<lb/> ging endlich voll in ihm auf, ſo daß er nicht mehr<lb/> hindern konnte, daß ſein Mund gläubig lachte und<lb/> ſeine Augen glänzten.</p><lb/> <p>Aber die Alten haben vergeſſen, neben dem holden<lb/> Eros die neidiſche Gottheit zu nennen, welche im ent¬<lb/> ſcheidenden Augenblicke, wenn das Glück dicht am nächſten<lb/> ſteht, den Liebenden einen Schleier über die Augen<lb/> wirft und ihnen das Wort im Munde verdreht.</p><lb/> <p>Als ſie ihm die Schaale vertrauensvoll in die<lb/> Hände gab und er fragte, wer ſie geſchenkt habe,<lb/> da verleitete ſie ein freudiger Uebermuth zu der<lb/> Schalkheit, daß ſie antwortete: „Fabrizius“! und ſie<lb/> war dabei des ſicheren Gefühles, daß er den Scherz<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [126/0140]
Frühlingstage auf das Landgut gefolgt. So hatte
ſie ihn an dieſem Morgen auf mühevoll ausgedachte
und kluge Weiſe in die Laube zu bringen gewußt,
halb wie aus Zufall, halb wie mit freundlicher Ab¬
ſicht, daß beides ihn, das gute Geſchick und die er¬
zeigte Freundlichkeit, heiter und zutraulich ſtimmen
ſollten und es auch thaten.
Sie wollte ihm die Vaſe zeigen, die ihr ein wohl¬
wollender Oheim zum Namensfeſt aus Trapezunt
herübergeſendet hatte. Ihr Geſicht ſtrahlte in reiner
Freude, den Geliebten ſo nah und einſam bei ſich
ſehen und ihm etwas Schönes zeigen zu können, und
auch ihm ward wirklich froh zu Muth; die Sonne
ging endlich voll in ihm auf, ſo daß er nicht mehr
hindern konnte, daß ſein Mund gläubig lachte und
ſeine Augen glänzten.
Aber die Alten haben vergeſſen, neben dem holden
Eros die neidiſche Gottheit zu nennen, welche im ent¬
ſcheidenden Augenblicke, wenn das Glück dicht am nächſten
ſteht, den Liebenden einen Schleier über die Augen
wirft und ihnen das Wort im Munde verdreht.
Als ſie ihm die Schaale vertrauensvoll in die
Hände gab und er fragte, wer ſie geſchenkt habe,
da verleitete ſie ein freudiger Uebermuth zu der
Schalkheit, daß ſie antwortete: „Fabrizius“! und ſie
war dabei des ſicheren Gefühles, daß er den Scherz
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