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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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junge Dorothea für sein Leben gern; aber schon der
Umstand, daß der vornehmste Mann in Kappadocien
sich um sie bewarb, hielt ihn ab, etwas für sich zu
hoffen, und um keinen Preis hätte er neben diesem
Herrn eine lächerliche Figur machen mögen.

Nichts desto weniger suchte Dorothea ihre Wünsche
zu einem guten Ziele zu führen und sich vor der
Hand so oft als möglich seiner Gegenwart zu ver¬
sichern. Und da er fortwährend ruhig und gleich¬
gültig schien, steigerte sich ihre Leidenschaft bis zu
mißlichen kleinen Listen und sie suchte ihn durch die
Eifersucht in Bewegung zu bringen, indem sie sich
mit dem Statthalter Fabrizius zu schaffen zu machen
und freundlicher gegen denselben zu werden schien.
Aber der arme Theophil verstand dergleichen Spaß
gar nicht, und wenn er ihn verstanden hätte, so wäre
er viel zu stolz gewesen, sich eifersüchtig zu zeigen.
Dennoch wurde er allmälig hingerissen und verwirrt,
so daß er sich zuweilen verrieth, aber sofort wieder
zusammen nahm und verschloß, und der zarten Ver¬
liebten blieb nichts anderes übrig, als etwas gewalt¬
sam vorzugehen und bei Gelegenheit das Netz un¬
versehens zuzuziehen.

Er hielt sich in Staatsgeschäften in der pontischen
Landschaft auf, und Dorothea, dies wissend, war
ihren Eltern aus Cäsarea für die angebrochenen

junge Dorothea für ſein Leben gern; aber ſchon der
Umſtand, daß der vornehmſte Mann in Kappadocien
ſich um ſie bewarb, hielt ihn ab, etwas für ſich zu
hoffen, und um keinen Preis hätte er neben dieſem
Herrn eine lächerliche Figur machen mögen.

Nichts deſto weniger ſuchte Dorothea ihre Wünſche
zu einem guten Ziele zu führen und ſich vor der
Hand ſo oft als möglich ſeiner Gegenwart zu ver¬
ſichern. Und da er fortwährend ruhig und gleich¬
gültig ſchien, ſteigerte ſich ihre Leidenſchaft bis zu
mißlichen kleinen Liſten und ſie ſuchte ihn durch die
Eiferſucht in Bewegung zu bringen, indem ſie ſich
mit dem Statthalter Fabrizius zu ſchaffen zu machen
und freundlicher gegen denſelben zu werden ſchien.
Aber der arme Theophil verſtand dergleichen Spaß
gar nicht, und wenn er ihn verſtanden hätte, ſo wäre
er viel zu ſtolz geweſen, ſich eiferſüchtig zu zeigen.
Dennoch wurde er allmälig hingeriſſen und verwirrt,
ſo daß er ſich zuweilen verrieth, aber ſofort wieder
zuſammen nahm und verſchloß, und der zarten Ver¬
liebten blieb nichts anderes übrig, als etwas gewalt¬
ſam vorzugehen und bei Gelegenheit das Netz un¬
verſehens zuzuziehen.

Er hielt ſich in Staatsgeſchäften in der pontiſchen
Landſchaft auf, und Dorothea, dies wiſſend, war
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[125/0139] junge Dorothea für ſein Leben gern; aber ſchon der Umſtand, daß der vornehmſte Mann in Kappadocien ſich um ſie bewarb, hielt ihn ab, etwas für ſich zu hoffen, und um keinen Preis hätte er neben dieſem Herrn eine lächerliche Figur machen mögen. Nichts deſto weniger ſuchte Dorothea ihre Wünſche zu einem guten Ziele zu führen und ſich vor der Hand ſo oft als möglich ſeiner Gegenwart zu ver¬ ſichern. Und da er fortwährend ruhig und gleich¬ gültig ſchien, ſteigerte ſich ihre Leidenſchaft bis zu mißlichen kleinen Liſten und ſie ſuchte ihn durch die Eiferſucht in Bewegung zu bringen, indem ſie ſich mit dem Statthalter Fabrizius zu ſchaffen zu machen und freundlicher gegen denſelben zu werden ſchien. Aber der arme Theophil verſtand dergleichen Spaß gar nicht, und wenn er ihn verſtanden hätte, ſo wäre er viel zu ſtolz geweſen, ſich eiferſüchtig zu zeigen. Dennoch wurde er allmälig hingeriſſen und verwirrt, ſo daß er ſich zuweilen verrieth, aber ſofort wieder zuſammen nahm und verſchloß, und der zarten Ver¬ liebten blieb nichts anderes übrig, als etwas gewalt¬ ſam vorzugehen und bei Gelegenheit das Netz un¬ verſehens zuzuziehen. Er hielt ſich in Staatsgeſchäften in der pontiſchen Landſchaft auf, und Dorothea, dies wiſſend, war ihren Eltern aus Cäſarea für die angebrochenen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/139>, abgerufen am 24.11.2024.