Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.docien, heftig bewarb. Da er aber ein pedantischer Diese Erwägung brauchte Dorothea selbst zwar Theophilus war ein sehr wohlgebildeter und docien, heftig bewarb. Da er aber ein pedantiſcher Dieſe Erwägung brauchte Dorothea ſelbſt zwar Theophilus war ein ſehr wohlgebildeter und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0138" n="124"/> docien, heftig bewarb. Da er aber ein pedantiſcher<lb/> Chriſtenverfolger war und Dorotheas Eltern ſich von<lb/> der neuen Weltanſchauung angezogen fühlten und<lb/> dieſelbe ſich fleißig anzueignen ſuchten, ſo ſträubten<lb/> ſie ſich ſo gut als möglich gegen das Andrängen des<lb/> mächtigen Inquiſitoren. Nicht daß ſie etwa ihre<lb/> Kinder in geiſtliche Kämpfe hineinziehen und deren<lb/> Herzen als Kaufſchillinge des Glaubens verwerthen<lb/> wollten; hiezu waren ſie zu edel und frei geſinnt.<lb/> Allein ſie dachten eben, ein religiöſer Menſchenquäler<lb/> ſei jederzeit auch ein ſchlechter Herzensbefriediger.</p><lb/> <p>Dieſe Erwägung brauchte Dorothea ſelbſt zwar<lb/> nicht anzuſtellen, da ſie ein anderes Schutzmittel gegen<lb/> die Bewerbung des Statthalters beſaß, nämlich die<lb/> Neigung zu deſſen Geheimſchreiber Theophilus, der<lb/> eben jetzt bei ihr ſtand und ſeltſam in die röthliche<lb/> Schaale blickte.</p><lb/> <p>Theophilus war ein ſehr wohlgebildeter und<lb/> feiner Menſch von helleniſcher Abkunft, der ſich aus<lb/> widrigen Schickſalen emporgeſchwungen und bei Jeder¬<lb/> mann eines guten Anſehens genoß. Aber von der Noth<lb/> ſeiner Jugend her war ihm ein etwas mißtrauiſches<lb/> und verſchloſſenes Weſen geblieben, und indem er ſich<lb/> mit dem, was er ſich ſelbſt verdankte, begnügte,<lb/> glaubte er nicht leicht, daß ihm irgend Jemand aus<lb/> freien Stücken beſonders zugethan ſei. Er ſah die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [124/0138]
docien, heftig bewarb. Da er aber ein pedantiſcher
Chriſtenverfolger war und Dorotheas Eltern ſich von
der neuen Weltanſchauung angezogen fühlten und
dieſelbe ſich fleißig anzueignen ſuchten, ſo ſträubten
ſie ſich ſo gut als möglich gegen das Andrängen des
mächtigen Inquiſitoren. Nicht daß ſie etwa ihre
Kinder in geiſtliche Kämpfe hineinziehen und deren
Herzen als Kaufſchillinge des Glaubens verwerthen
wollten; hiezu waren ſie zu edel und frei geſinnt.
Allein ſie dachten eben, ein religiöſer Menſchenquäler
ſei jederzeit auch ein ſchlechter Herzensbefriediger.
Dieſe Erwägung brauchte Dorothea ſelbſt zwar
nicht anzuſtellen, da ſie ein anderes Schutzmittel gegen
die Bewerbung des Statthalters beſaß, nämlich die
Neigung zu deſſen Geheimſchreiber Theophilus, der
eben jetzt bei ihr ſtand und ſeltſam in die röthliche
Schaale blickte.
Theophilus war ein ſehr wohlgebildeter und
feiner Menſch von helleniſcher Abkunft, der ſich aus
widrigen Schickſalen emporgeſchwungen und bei Jeder¬
mann eines guten Anſehens genoß. Aber von der Noth
ſeiner Jugend her war ihm ein etwas mißtrauiſches
und verſchloſſenes Weſen geblieben, und indem er ſich
mit dem, was er ſich ſelbſt verdankte, begnügte,
glaubte er nicht leicht, daß ihm irgend Jemand aus
freien Stücken beſonders zugethan ſei. Er ſah die
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