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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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Am südlichen Ufer des Pontus euxinus, unweit
der Mündung des Flusses Halys, lag im Lichte des
hellsten Frühlingsmorgens ein römisches Landhaus.
Von den Wassern des Pontus her trug ein Nordost¬
wind erfrischende Kühle durch die Gärten, daß es
den Heiden und den heimlichen Christen so wohlig
zu Muthe war, wie den zitternden Blättern an den
Bäumen.

In einer Laube am Meere stand abgeschieden von
der übrigen Welt ein junges Paar, ein hübscher jun¬
ger Mann gegenüber dem allerzartesten Mädchen.
Dieses hielt eine große, schöngeschnittene Schaale
empor, aus durchscheinendem röthlichem Steine ge¬
macht, um sie von dem Jünglinge bewundern zu
lassen, und die Morgensonne strahlte gar herrlich
durch die Schaale, deren rother Schein auf dem Ge¬
sichte des Mädchens dessen eigenes Erröthen verbarg.

Es war die Patrizierstochter Dorothea, um welche
sich Fabrizius, der Statthalter der Provinz Kappa¬

Am ſüdlichen Ufer des Pontus euxinus, unweit
der Mündung des Fluſſes Halys, lag im Lichte des
hellſten Frühlingsmorgens ein römiſches Landhaus.
Von den Waſſern des Pontus her trug ein Nordoſt¬
wind erfriſchende Kühle durch die Gärten, daß es
den Heiden und den heimlichen Chriſten ſo wohlig
zu Muthe war, wie den zitternden Blättern an den
Bäumen.

In einer Laube am Meere ſtand abgeſchieden von
der übrigen Welt ein junges Paar, ein hübſcher jun¬
ger Mann gegenüber dem allerzarteſten Mädchen.
Dieſes hielt eine große, ſchöngeſchnittene Schaale
empor, aus durchſcheinendem röthlichem Steine ge¬
macht, um ſie von dem Jünglinge bewundern zu
laſſen, und die Morgenſonne ſtrahlte gar herrlich
durch die Schaale, deren rother Schein auf dem Ge¬
ſichte des Mädchens deſſen eigenes Erröthen verbarg.

Es war die Patrizierstochter Dorothea, um welche
ſich Fabrizius, der Statthalter der Provinz Kappa¬

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[0137] Am ſüdlichen Ufer des Pontus euxinus, unweit der Mündung des Fluſſes Halys, lag im Lichte des hellſten Frühlingsmorgens ein römiſches Landhaus. Von den Waſſern des Pontus her trug ein Nordoſt¬ wind erfriſchende Kühle durch die Gärten, daß es den Heiden und den heimlichen Chriſten ſo wohlig zu Muthe war, wie den zitternden Blättern an den Bäumen. In einer Laube am Meere ſtand abgeſchieden von der übrigen Welt ein junges Paar, ein hübſcher jun¬ ger Mann gegenüber dem allerzarteſten Mädchen. Dieſes hielt eine große, ſchöngeſchnittene Schaale empor, aus durchſcheinendem röthlichem Steine ge¬ macht, um ſie von dem Jünglinge bewundern zu laſſen, und die Morgenſonne ſtrahlte gar herrlich durch die Schaale, deren rother Schein auf dem Ge¬ ſichte des Mädchens deſſen eigenes Erröthen verbarg. Es war die Patrizierstochter Dorothea, um welche ſich Fabrizius, der Statthalter der Provinz Kappa¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/137>, abgerufen am 24.11.2024.