Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.es ihm, als ob er nun vorerst von langer Mühsal Als er erwachte, war er allein und Niemand Er steckte nun vorsichtig den Kopf bald durch es ihm, als ob er nun vorerſt von langer Mühſal Als er erwachte, war er allein und Niemand Er ſteckte nun vorſichtig den Kopf bald durch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0131" n="117"/> es ihm, als ob er nun vorerſt von langer Mühſal<lb/> ausruhen möchte, und ſiehe da, mein Vitalis neigte<lb/> ſein Haupt zur Seite, nach Jolen hin, und ſchlief<lb/> ohne Säumniß ein und bis die Sonne aufging.</p><lb/> <p>Als er erwachte, war er allein und Niemand<lb/> weder zu ſehen noch zu hören. Heftig ſprang er auf<lb/> und erſchrack über das glänzende Gewand in dem er<lb/> ſteckte; haſtig ſtürmte er durch das Haus von oben<lb/> bis unten, ſeine Mönchskutte zu ſuchen; aber nicht<lb/> die kleinſte Spur war davon zu finden, bis er in<lb/> einem kleinen Höfchen Kohlen und Aſche ſah, auf<lb/> welchen ein halbverbrannter Aermel ſeines Prieſter¬<lb/> gewandes lag, ſo daß er mit Recht vermuthete, das¬<lb/> ſelbe ſei hier feierlich verbrannt worden.</p><lb/> <p>Er ſteckte nun vorſichtig den Kopf bald durch<lb/> dieſe, bald durch jene Oeffnung auf die Straße und<lb/> zog ſich jedesmal zurück, wenn Jemand nahte. End¬<lb/> lich warf er ſich auf das ſeidene Ruhebett, ſo bequem<lb/> und läßig, als ob er nie auf einem harten Mönchs¬<lb/> lager geruht hätte; dann raffte er ſich zuſammen,<lb/> ordnete das Gewand und ſchlich aufgeregt an die<lb/> Hausthüre. Dort zögerte er noch ein Weilchen; plötz¬<lb/> lich aber riß er ſie weit auf und ging mit Glanz und<lb/> Würde in's Freie. Niemand erkannte ihn, Alles hielt<lb/> ihn für einen großen Herrn aus der Ferne, welcher<lb/> ſich hier zu Alexandria einige gute Tage mache.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [117/0131]
es ihm, als ob er nun vorerſt von langer Mühſal
ausruhen möchte, und ſiehe da, mein Vitalis neigte
ſein Haupt zur Seite, nach Jolen hin, und ſchlief
ohne Säumniß ein und bis die Sonne aufging.
Als er erwachte, war er allein und Niemand
weder zu ſehen noch zu hören. Heftig ſprang er auf
und erſchrack über das glänzende Gewand in dem er
ſteckte; haſtig ſtürmte er durch das Haus von oben
bis unten, ſeine Mönchskutte zu ſuchen; aber nicht
die kleinſte Spur war davon zu finden, bis er in
einem kleinen Höfchen Kohlen und Aſche ſah, auf
welchen ein halbverbrannter Aermel ſeines Prieſter¬
gewandes lag, ſo daß er mit Recht vermuthete, das¬
ſelbe ſei hier feierlich verbrannt worden.
Er ſteckte nun vorſichtig den Kopf bald durch
dieſe, bald durch jene Oeffnung auf die Straße und
zog ſich jedesmal zurück, wenn Jemand nahte. End¬
lich warf er ſich auf das ſeidene Ruhebett, ſo bequem
und läßig, als ob er nie auf einem harten Mönchs¬
lager geruht hätte; dann raffte er ſich zuſammen,
ordnete das Gewand und ſchlich aufgeregt an die
Hausthüre. Dort zögerte er noch ein Weilchen; plötz¬
lich aber riß er ſie weit auf und ging mit Glanz und
Würde in's Freie. Niemand erkannte ihn, Alles hielt
ihn für einen großen Herrn aus der Ferne, welcher
ſich hier zu Alexandria einige gute Tage mache.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |