Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872."Das würde mich nur hartnäckiger machen," er¬ "Es sei so!" rief Vitalis, machte sich fort und Sie schlief nur kurze Zeit und erwartete mit Un¬ In der kommenden Nacht fand sie Vitalis zeitig „Das würde mich nur hartnäckiger machen,“ er¬ „Es ſei ſo!“ rief Vitalis, machte ſich fort und Sie ſchlief nur kurze Zeit und erwartete mit Un¬ In der kommenden Nacht fand ſie Vitalis zeitig <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0120" n="106"/> <p>„Das würde mich nur hartnäckiger machen,“ er¬<lb/> wiederte Jole, „ich will mir aber Bedenkzeit nehmen<lb/> und die kommende Nacht dich wieder anhören. Jetzt<lb/> bricht der Tag bald an, geh' deines Weges; indeſſen<lb/> verſprech' ich, nichts in der Sache zu thun und in<lb/> meinem jetzigen Zuſtand zu verbleiben, wogegen du<lb/> verſprechen mußt, nirgends meiner Erwähnung zu<lb/> thun und nur in dunkler Nacht hieher zu kommen!“</p><lb/> <p>„Es ſei ſo!“ rief Vitalis, machte ſich fort und<lb/> Jole ſchlüpfte raſch in ihr väterliches Haus zurück.</p><lb/> <p>Sie ſchlief nur kurze Zeit und erwartete mit Un¬<lb/> geduld den Abend, weil ihr der Mönch, dem ſie die<lb/> Nacht durch ſo nahe geweſen, noch beſſer gefallen hatte,<lb/> als ſonſt aus der Ferne. Sie ſah jetzt, welch' ein<lb/> ſchwärmeriſches Feuer in ſeinen Augen glühte und<lb/> wie entſchieden, trotz der geiſtlichen Kleidung, alle ſeine<lb/> Bewegungen waren. Wenn ſie ſich dazu ſeine Selbſt¬<lb/> verleugnung vergegenwärtigte, ſeine Ausdauer in dem<lb/> einmal Erwählten, ſo konnte ſie nicht umhin, dieſe<lb/> guten Eigenſchaften zu ihrem eigenen Nutzen und Ver¬<lb/> gnügen verwendet zu wünſchen, und zwar in Geſtalt<lb/> eines verliebten und getreuen Ehemannes. Ihre Auf¬<lb/> gabe war demnach, aus einem wackeren Märtyrer<lb/> einen noch beſſeren Ehemann zu machen.</p><lb/> <p>In der kommenden Nacht fand ſie Vitalis zeitig<lb/> wieder auf ihrem Teppich und er ſetzte ſeine Be¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [106/0120]
„Das würde mich nur hartnäckiger machen,“ er¬
wiederte Jole, „ich will mir aber Bedenkzeit nehmen
und die kommende Nacht dich wieder anhören. Jetzt
bricht der Tag bald an, geh' deines Weges; indeſſen
verſprech' ich, nichts in der Sache zu thun und in
meinem jetzigen Zuſtand zu verbleiben, wogegen du
verſprechen mußt, nirgends meiner Erwähnung zu
thun und nur in dunkler Nacht hieher zu kommen!“
„Es ſei ſo!“ rief Vitalis, machte ſich fort und
Jole ſchlüpfte raſch in ihr väterliches Haus zurück.
Sie ſchlief nur kurze Zeit und erwartete mit Un¬
geduld den Abend, weil ihr der Mönch, dem ſie die
Nacht durch ſo nahe geweſen, noch beſſer gefallen hatte,
als ſonſt aus der Ferne. Sie ſah jetzt, welch' ein
ſchwärmeriſches Feuer in ſeinen Augen glühte und
wie entſchieden, trotz der geiſtlichen Kleidung, alle ſeine
Bewegungen waren. Wenn ſie ſich dazu ſeine Selbſt¬
verleugnung vergegenwärtigte, ſeine Ausdauer in dem
einmal Erwählten, ſo konnte ſie nicht umhin, dieſe
guten Eigenſchaften zu ihrem eigenen Nutzen und Ver¬
gnügen verwendet zu wünſchen, und zwar in Geſtalt
eines verliebten und getreuen Ehemannes. Ihre Auf¬
gabe war demnach, aus einem wackeren Märtyrer
einen noch beſſeren Ehemann zu machen.
In der kommenden Nacht fand ſie Vitalis zeitig
wieder auf ihrem Teppich und er ſetzte ſeine Be¬
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