sie aber plötzlich in verlockende Geberden überging und mit der Hand in seinen glänzenden dunkeln Bart fahren wollte, da brach das Gewitter seines geistlichen Gemüthes mächtig los, zornig schlug er ihr auf die Hand, warf sie dann auf ihr Bett, daß es erzitterte, und indem er auf sie hinkniete und ihre Hände fest¬ hielt, fing er, ungerührt von ihren Reizen, dergestalt an ihr in die Seele zu reden, daß ihre Verstocktheit endlich sich zu lösen schien.
Sie ließ nach in den gewaltsamen Anstrengungen, sich zu befreien, häufige Thränen floßen über das schöne und kräftige Gesicht, und als der eifrige Gottes¬ mann sie nun frei gab und aufrecht an ihrem Sün¬ denlager stand, lag die große Gestalt auf demselben mit ausgestreckten müden Gliedern, wie von Reue und Bitterkeit zerschlagen, schluchzend und die umflor¬ ten Augen nach ihm richtend, wie verwundert über diese unfreiwillige Verwandlung.
Da verwandelte sich auch das Ungewitter seines beredten Zornes in weiche Rührung und inniges Mit¬ leid; er pries innerlich seine himmlische Beschützerin, welcher zu Ehren ihm dieser schwerste aller Siege ge¬ lungen war, und seine Rede floß jetzt versöhnend und tröstend wie lindes Frühlingswehen über das gebro¬ chene Eis dieses Herzens.
Fröhlicher, als wenn er das lieblichste Glück genos¬
ſie aber plötzlich in verlockende Geberden überging und mit der Hand in ſeinen glänzenden dunkeln Bart fahren wollte, da brach das Gewitter ſeines geiſtlichen Gemüthes mächtig los, zornig ſchlug er ihr auf die Hand, warf ſie dann auf ihr Bett, daß es erzitterte, und indem er auf ſie hinkniete und ihre Hände feſt¬ hielt, fing er, ungerührt von ihren Reizen, dergeſtalt an ihr in die Seele zu reden, daß ihre Verſtocktheit endlich ſich zu löſen ſchien.
Sie ließ nach in den gewaltſamen Anſtrengungen, ſich zu befreien, häufige Thränen floßen über das ſchöne und kräftige Geſicht, und als der eifrige Gottes¬ mann ſie nun frei gab und aufrecht an ihrem Sün¬ denlager ſtand, lag die große Geſtalt auf demſelben mit ausgeſtreckten müden Gliedern, wie von Reue und Bitterkeit zerſchlagen, ſchluchzend und die umflor¬ ten Augen nach ihm richtend, wie verwundert über dieſe unfreiwillige Verwandlung.
Da verwandelte ſich auch das Ungewitter ſeines beredten Zornes in weiche Rührung und inniges Mit¬ leid; er pries innerlich ſeine himmliſche Beſchützerin, welcher zu Ehren ihm dieſer ſchwerſte aller Siege ge¬ lungen war, und ſeine Rede floß jetzt verſöhnend und tröſtend wie lindes Frühlingswehen über das gebro¬ chene Eis dieſes Herzens.
Fröhlicher, als wenn er das lieblichſte Glück genoſ¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0109"n="95"/>ſie aber plötzlich in verlockende Geberden überging<lb/>
und mit der Hand in ſeinen glänzenden dunkeln Bart<lb/>
fahren wollte, da brach das Gewitter ſeines geiſtlichen<lb/>
Gemüthes mächtig los, zornig ſchlug er ihr auf die<lb/>
Hand, warf ſie dann auf ihr Bett, daß es erzitterte,<lb/>
und indem er auf ſie hinkniete und ihre Hände feſt¬<lb/>
hielt, fing er, ungerührt von ihren Reizen, dergeſtalt<lb/>
an ihr in die Seele zu reden, daß ihre Verſtocktheit<lb/>
endlich ſich zu löſen ſchien.</p><lb/><p>Sie ließ nach in den gewaltſamen Anſtrengungen,<lb/>ſich zu befreien, häufige Thränen floßen über das<lb/>ſchöne und kräftige Geſicht, und als der eifrige Gottes¬<lb/>
mann ſie nun frei gab und aufrecht an ihrem Sün¬<lb/>
denlager ſtand, lag die große Geſtalt auf demſelben<lb/>
mit ausgeſtreckten müden Gliedern, wie von Reue<lb/>
und Bitterkeit zerſchlagen, ſchluchzend und die umflor¬<lb/>
ten Augen nach ihm richtend, wie verwundert über<lb/>
dieſe unfreiwillige Verwandlung.</p><lb/><p>Da verwandelte ſich auch das Ungewitter ſeines<lb/>
beredten Zornes in weiche Rührung und inniges Mit¬<lb/>
leid; er pries innerlich ſeine himmliſche Beſchützerin,<lb/>
welcher zu Ehren ihm dieſer ſchwerſte aller Siege ge¬<lb/>
lungen war, und ſeine Rede floß jetzt verſöhnend und<lb/>
tröſtend wie lindes Frühlingswehen über das gebro¬<lb/>
chene Eis dieſes Herzens.</p><lb/><p>Fröhlicher, als wenn er das lieblichſte Glück genoſ¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[95/0109]
ſie aber plötzlich in verlockende Geberden überging
und mit der Hand in ſeinen glänzenden dunkeln Bart
fahren wollte, da brach das Gewitter ſeines geiſtlichen
Gemüthes mächtig los, zornig ſchlug er ihr auf die
Hand, warf ſie dann auf ihr Bett, daß es erzitterte,
und indem er auf ſie hinkniete und ihre Hände feſt¬
hielt, fing er, ungerührt von ihren Reizen, dergeſtalt
an ihr in die Seele zu reden, daß ihre Verſtocktheit
endlich ſich zu löſen ſchien.
Sie ließ nach in den gewaltſamen Anſtrengungen,
ſich zu befreien, häufige Thränen floßen über das
ſchöne und kräftige Geſicht, und als der eifrige Gottes¬
mann ſie nun frei gab und aufrecht an ihrem Sün¬
denlager ſtand, lag die große Geſtalt auf demſelben
mit ausgeſtreckten müden Gliedern, wie von Reue
und Bitterkeit zerſchlagen, ſchluchzend und die umflor¬
ten Augen nach ihm richtend, wie verwundert über
dieſe unfreiwillige Verwandlung.
Da verwandelte ſich auch das Ungewitter ſeines
beredten Zornes in weiche Rührung und inniges Mit¬
leid; er pries innerlich ſeine himmliſche Beſchützerin,
welcher zu Ehren ihm dieſer ſchwerſte aller Siege ge¬
lungen war, und ſeine Rede floß jetzt verſöhnend und
tröſtend wie lindes Frühlingswehen über das gebro¬
chene Eis dieſes Herzens.
Fröhlicher, als wenn er das lieblichſte Glück genoſ¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/109>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.