Mittel und Wege sann, wie er sich den Zutritt bei der Verlorenen verschaffen könne. Indem fiel sein Blick auf die Lade, in welcher die Gaben der Mild¬ thätigkeit aufbewahrt lagen, und kaum war die Kirche, in welcher es dunkel geworden, leer, so schlug er die Lade mit kräftiger Faust auf und warf ihren Inhalt, der aus einer Menge kleiner Silberlinge bestand, in seine aufgeschürzte Kutte und eilte schneller, als ein Verliebter, nach der Wohnung der Sünderin.
Eben wollte ein zierlicher Stutzer in die aufgehende Thüre schlüpfen; Vitalis ergriff ihn hinten an den duftenden Locken, schleuderte ihn auf die Gasse und schlug die Thüre, indem er hineinsprang, jenem vor der Nase zu, und so stand er nach einigen Augen¬ blicken abermals vor der ruchlosen Person, welche ihn mit funkelnden Augen besah, da er statt des erwarte¬ ten Stutzers erschien. Vitalis schüttete aber schnell das gestohlene Geld auf den Tisch und sagte: "Ge¬ nügt das für diese Nacht?" Stumm aber sorgfältig zählte sie das Gut und sagte dann: "Es genügt!" und that es beiseite.
Nun standen sie sich sonderbarlich gegenüber. Das Lachen verbeißend schaute sie darein, als ob sie von nichts wüßte, und der Mönch prüfte sie mit ungewissen und kummervollen Blicken und wußte nicht, wie er es anpacken sollte, sie zur Rede zu stellen. Als
Mittel und Wege ſann, wie er ſich den Zutritt bei der Verlorenen verſchaffen könne. Indem fiel ſein Blick auf die Lade, in welcher die Gaben der Mild¬ thätigkeit aufbewahrt lagen, und kaum war die Kirche, in welcher es dunkel geworden, leer, ſo ſchlug er die Lade mit kräftiger Fauſt auf und warf ihren Inhalt, der aus einer Menge kleiner Silberlinge beſtand, in ſeine aufgeſchürzte Kutte und eilte ſchneller, als ein Verliebter, nach der Wohnung der Sünderin.
Eben wollte ein zierlicher Stutzer in die aufgehende Thüre ſchlüpfen; Vitalis ergriff ihn hinten an den duftenden Locken, ſchleuderte ihn auf die Gaſſe und ſchlug die Thüre, indem er hineinſprang, jenem vor der Naſe zu, und ſo ſtand er nach einigen Augen¬ blicken abermals vor der ruchloſen Perſon, welche ihn mit funkelnden Augen beſah, da er ſtatt des erwarte¬ ten Stutzers erſchien. Vitalis ſchüttete aber ſchnell das geſtohlene Geld auf den Tiſch und ſagte: „Ge¬ nügt das für dieſe Nacht?“ Stumm aber ſorgfältig zählte ſie das Gut und ſagte dann: „Es genügt!“ und that es beiſeite.
Nun ſtanden ſie ſich ſonderbarlich gegenüber. Das Lachen verbeißend ſchaute ſie darein, als ob ſie von nichts wüßte, und der Mönch prüfte ſie mit ungewiſſen und kummervollen Blicken und wußte nicht, wie er es anpacken ſollte, ſie zur Rede zu ſtellen. Als
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Mittel und Wege ſann, wie er ſich den Zutritt bei
der Verlorenen verſchaffen könne. Indem fiel ſein
Blick auf die Lade, in welcher die Gaben der Mild¬
thätigkeit aufbewahrt lagen, und kaum war die Kirche,
in welcher es dunkel geworden, leer, ſo ſchlug er die
Lade mit kräftiger Fauſt auf und warf ihren Inhalt,
der aus einer Menge kleiner Silberlinge beſtand, in
ſeine aufgeſchürzte Kutte und eilte ſchneller, als ein
Verliebter, nach der Wohnung der Sünderin.
Eben wollte ein zierlicher Stutzer in die aufgehende
Thüre ſchlüpfen; Vitalis ergriff ihn hinten an den
duftenden Locken, ſchleuderte ihn auf die Gaſſe und
ſchlug die Thüre, indem er hineinſprang, jenem vor
der Naſe zu, und ſo ſtand er nach einigen Augen¬
blicken abermals vor der ruchloſen Perſon, welche ihn
mit funkelnden Augen beſah, da er ſtatt des erwarte¬
ten Stutzers erſchien. Vitalis ſchüttete aber ſchnell
das geſtohlene Geld auf den Tiſch und ſagte: „Ge¬
nügt das für dieſe Nacht?“ Stumm aber ſorgfältig
zählte ſie das Gut und ſagte dann: „Es genügt!“ und
that es beiſeite.
Nun ſtanden ſie ſich ſonderbarlich gegenüber. Das
Lachen verbeißend ſchaute ſie darein, als ob ſie von
nichts wüßte, und der Mönch prüfte ſie mit ungewiſſen
und kummervollen Blicken und wußte nicht, wie
er es anpacken ſollte, ſie zur Rede zu ſtellen. Als
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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/108>, abgerufen am 16.07.2024.
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