Vergnügen gemacht, an fröhlichen Festtagen die Tracht ihrer Großmutter anzulegen und sich darin etwa zu einem kleinen Abendschmaus zu setzen, und der kleine Heinrich hatte sie alsdann höchlich bewundert und nicht genugsam betrachten können.
Er drückte den Deckel wieder zu und ging durch die Stadt, um hier und da altbefreundete Leute zu begrüßen; man sah ihn groß an, erwies ihm aber Ehre, und es hieß schon überall, er habe ein großes Glück in der Fremde gemacht. Dann begab er sich auf's Land, um seine Vet¬ tern und Basen zu sehen, die zerstreut waren. Alle hatten die Stuben voll Kinder, die Einen waren wohlhabend, die Anderen schienen bedrängt und klagten sehr; doch alle waren gleichmäßig be¬ schäftigt und belastet mit ihren Zuständen, und schienen sich selbst nicht viel um einander zu küm¬ mern. Die Frauen waren schon verblüht, rasch und gesalzen in ihrem Thun und Sprechen, und die Männer abwechselnd gleichmüthig und ein¬ silbig oder jähzornig. Sie schienen Heinrich zu beneiden, daß er nun Alles noch vor sich habe, was sie schon durchgelebt zum Theil, und das
Vergnuͤgen gemacht, an froͤhlichen Feſttagen die Tracht ihrer Großmutter anzulegen und ſich darin etwa zu einem kleinen Abendſchmaus zu ſetzen, und der kleine Heinrich hatte ſie alsdann hoͤchlich bewundert und nicht genugſam betrachten koͤnnen.
Er druͤckte den Deckel wieder zu und ging durch die Stadt, um hier und da altbefreundete Leute zu begruͤßen; man ſah ihn groß an, erwies ihm aber Ehre, und es hieß ſchon uͤberall, er habe ein großes Gluͤck in der Fremde gemacht. Dann begab er ſich auf's Land, um ſeine Vet¬ tern und Baſen zu ſehen, die zerſtreut waren. Alle hatten die Stuben voll Kinder, die Einen waren wohlhabend, die Anderen ſchienen bedraͤngt und klagten ſehr; doch alle waren gleichmaͤßig be¬ ſchaͤftigt und belaſtet mit ihren Zuſtaͤnden, und ſchienen ſich ſelbſt nicht viel um einander zu kuͤm¬ mern. Die Frauen waren ſchon verbluͤht, raſch und geſalzen in ihrem Thun und Sprechen, und die Maͤnner abwechſelnd gleichmuͤthig und ein¬ ſilbig oder jaͤhzornig. Sie ſchienen Heinrich zu beneiden, daß er nun Alles noch vor ſich habe, was ſie ſchon durchgelebt zum Theil, und das
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0487"n="477"/>
Vergnuͤgen gemacht, an froͤhlichen Feſttagen die<lb/>
Tracht ihrer Großmutter anzulegen und ſich darin<lb/>
etwa zu einem kleinen Abendſchmaus zu ſetzen,<lb/>
und der kleine Heinrich hatte ſie alsdann hoͤchlich<lb/>
bewundert und nicht genugſam betrachten koͤnnen.<lb/></p><p>Er druͤckte den Deckel wieder zu und ging<lb/>
durch die Stadt, um hier und da altbefreundete<lb/>
Leute zu begruͤßen; man ſah ihn groß an, erwies<lb/>
ihm aber Ehre, und es hieß ſchon uͤberall, er<lb/>
habe ein großes Gluͤck in der Fremde gemacht.<lb/>
Dann begab er ſich auf's Land, um ſeine Vet¬<lb/>
tern und Baſen zu ſehen, die zerſtreut waren.<lb/>
Alle hatten die Stuben voll Kinder, die Einen<lb/>
waren wohlhabend, die Anderen ſchienen bedraͤngt<lb/>
und klagten ſehr; doch alle waren gleichmaͤßig be¬<lb/>ſchaͤftigt und belaſtet mit ihren Zuſtaͤnden, und<lb/>ſchienen ſich ſelbſt nicht viel um einander zu kuͤm¬<lb/>
mern. Die Frauen waren ſchon verbluͤht, raſch<lb/>
und geſalzen in ihrem Thun und Sprechen, und<lb/>
die Maͤnner abwechſelnd gleichmuͤthig und ein¬<lb/>ſilbig oder jaͤhzornig. Sie ſchienen Heinrich zu<lb/>
beneiden, daß er nun Alles noch vor ſich habe,<lb/>
was ſie ſchon durchgelebt zum Theil, und das<lb/></p></div></body></text></TEI>
[477/0487]
Vergnuͤgen gemacht, an froͤhlichen Feſttagen die
Tracht ihrer Großmutter anzulegen und ſich darin
etwa zu einem kleinen Abendſchmaus zu ſetzen,
und der kleine Heinrich hatte ſie alsdann hoͤchlich
bewundert und nicht genugſam betrachten koͤnnen.
Er druͤckte den Deckel wieder zu und ging
durch die Stadt, um hier und da altbefreundete
Leute zu begruͤßen; man ſah ihn groß an, erwies
ihm aber Ehre, und es hieß ſchon uͤberall, er
habe ein großes Gluͤck in der Fremde gemacht.
Dann begab er ſich auf's Land, um ſeine Vet¬
tern und Baſen zu ſehen, die zerſtreut waren.
Alle hatten die Stuben voll Kinder, die Einen
waren wohlhabend, die Anderen ſchienen bedraͤngt
und klagten ſehr; doch alle waren gleichmaͤßig be¬
ſchaͤftigt und belaſtet mit ihren Zuſtaͤnden, und
ſchienen ſich ſelbſt nicht viel um einander zu kuͤm¬
mern. Die Frauen waren ſchon verbluͤht, raſch
und geſalzen in ihrem Thun und Sprechen, und
die Maͤnner abwechſelnd gleichmuͤthig und ein¬
ſilbig oder jaͤhzornig. Sie ſchienen Heinrich zu
beneiden, daß er nun Alles noch vor ſich habe,
was ſie ſchon durchgelebt zum Theil, und das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/487>, abgerufen am 12.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.