mit dem Kirchhof dicht zu seinen Füßen diesseits des Flusses war noch dasselbe, und das Todten¬ glöcklein erklang traurig in demselben, während ein Sarg über die Brücke getragen wurde, wel¬ chem ein langer zahlreicher Trauerzug folgte, wie wenn ein Unbescholtener begraben wird, der lange an einem Orte gewohnt hat. Eine kleine Weile sah er dem langsam gehenden Zuge neugierig zu, bis derselbe an dem Berge emporzusteigen be¬ gann; dann stieg er aber den steilen Staffelberg hinab, von dem ihm geträumt, daß er eine Kry¬ stalltreppe wäre, und machte sich dem Kirchhof zu, der nun von den Leuten angefüllt war; denn er wollte, indem er im Vorbeigehen dem Be¬ gräbniß beiwohnte, gleich zum Gruße an die Va¬ terstadt eine gesellschaftliche Pflicht erfüllen und gedachte auch Dortchen's, welche die Todten so sehr bedauerte, die vergehen und für immer aus der Welt scheiden müssen.
Er trat mit den Leuten, die ihn nicht kann¬ ten, in das kleine Kirchlein und hörte deutlich den Geistlichen, der das Gebet zu sprechen hatte,
mit dem Kirchhof dicht zu ſeinen Fuͤßen dieſſeits des Fluſſes war noch daſſelbe, und das Todten¬ gloͤcklein erklang traurig in demſelben, waͤhrend ein Sarg uͤber die Bruͤcke getragen wurde, wel¬ chem ein langer zahlreicher Trauerzug folgte, wie wenn ein Unbeſcholtener begraben wird, der lange an einem Orte gewohnt hat. Eine kleine Weile ſah er dem langſam gehenden Zuge neugierig zu, bis derſelbe an dem Berge emporzuſteigen be¬ gann; dann ſtieg er aber den ſteilen Staffelberg hinab, von dem ihm getraͤumt, daß er eine Kry¬ ſtalltreppe waͤre, und machte ſich dem Kirchhof zu, der nun von den Leuten angefuͤllt war; denn er wollte, indem er im Vorbeigehen dem Be¬ graͤbniß beiwohnte, gleich zum Gruße an die Va¬ terſtadt eine geſellſchaftliche Pflicht erfuͤllen und gedachte auch Dortchen's, welche die Todten ſo ſehr bedauerte, die vergehen und fuͤr immer aus der Welt ſcheiden muͤſſen.
Er trat mit den Leuten, die ihn nicht kann¬ ten, in das kleine Kirchlein und hoͤrte deutlich den Geiſtlichen, der das Gebet zu ſprechen hatte,
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mit dem Kirchhof dicht zu ſeinen Fuͤßen dieſſeits
des Fluſſes war noch daſſelbe, und das Todten¬
gloͤcklein erklang traurig in demſelben, waͤhrend
ein Sarg uͤber die Bruͤcke getragen wurde, wel¬
chem ein langer zahlreicher Trauerzug folgte, wie
wenn ein Unbeſcholtener begraben wird, der lange
an einem Orte gewohnt hat. Eine kleine Weile
ſah er dem langſam gehenden Zuge neugierig zu,
bis derſelbe an dem Berge emporzuſteigen be¬
gann; dann ſtieg er aber den ſteilen Staffelberg
hinab, von dem ihm getraͤumt, daß er eine Kry¬
ſtalltreppe waͤre, und machte ſich dem Kirchhof
zu, der nun von den Leuten angefuͤllt war; denn
er wollte, indem er im Vorbeigehen dem Be¬
graͤbniß beiwohnte, gleich zum Gruße an die Va¬
terſtadt eine geſellſchaftliche Pflicht erfuͤllen und
gedachte auch Dortchen's, welche die Todten ſo
ſehr bedauerte, die vergehen und fuͤr immer aus
der Welt ſcheiden muͤſſen.
Er trat mit den Leuten, die ihn nicht kann¬
ten, in das kleine Kirchlein und hoͤrte deutlich
den Geiſtlichen, der das Gebet zu ſprechen hatte,
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/479>, abgerufen am 04.12.2024.
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