und freundlich lächelte, und Agnes, welche sich zugleich herandrängte, schoß vollends einen war¬ men, dunklen Blick in seine Augen, und zwischen ihren schwarzen Wimpern schimmerte es wie sil¬ berner Thau. Er fühlte, daß das wundersame Wesen ihm mit Wenigem viel sagen möchte, daß sie dem Vertrauten jener schmerzlichen Freuden¬ tage ihre tiefbewegte Verwunderung über sich selbst, über den Lauf der Welt verschweigen mußte. Selbst verwundert stand Heinrich einen Augenblick zwischen zwei reizvollen Weibern, dann sah er sich allein und schaute in dem grauen, zum Theil düsteren, zum Theil mit grellem Lichte durchstrahlten Raum herum, in welchem soeben sich kräftige und schöne, glücklich gepaarte Men¬ schengestalten bewegt hatten.
Er sah auf die Thür, durch welche sie ver¬ schwunden und welche mit ihrer weißgestrichenen Fläche vor seinen Augen schwirrte und flimmerte wie eine Leinwand, von welcher mit Einem Zuge ein lebendiges Gemälde weggewischt worden. Er sah durch das hohe Fenster, dessen untere Hälfte verhüllt war, in die leere Luft hinaus, das freund¬
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und freundlich laͤchelte, und Agnes, welche ſich zugleich herandraͤngte, ſchoß vollends einen war¬ men, dunklen Blick in ſeine Augen, und zwiſchen ihren ſchwarzen Wimpern ſchimmerte es wie ſil¬ berner Thau. Er fuͤhlte, daß das wunderſame Weſen ihm mit Wenigem viel ſagen moͤchte, daß ſie dem Vertrauten jener ſchmerzlichen Freuden¬ tage ihre tiefbewegte Verwunderung uͤber ſich ſelbſt, uͤber den Lauf der Welt verſchweigen mußte. Selbſt verwundert ſtand Heinrich einen Augenblick zwiſchen zwei reizvollen Weibern, dann ſah er ſich allein und ſchaute in dem grauen, zum Theil duͤſteren, zum Theil mit grellem Lichte durchſtrahlten Raum herum, in welchem ſoeben ſich kraͤftige und ſchoͤne, gluͤcklich gepaarte Men¬ ſchengeſtalten bewegt hatten.
Er ſah auf die Thuͤr, durch welche ſie ver¬ ſchwunden und welche mit ihrer weißgeſtrichenen Flaͤche vor ſeinen Augen ſchwirrte und flimmerte wie eine Leinwand, von welcher mit Einem Zuge ein lebendiges Gemaͤlde weggewiſcht worden. Er ſah durch das hohe Fenſter, deſſen untere Haͤlfte verhuͤllt war, in die leere Luft hinaus, das freund¬
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und freundlich laͤchelte, und Agnes, welche ſich
zugleich herandraͤngte, ſchoß vollends einen war¬
men, dunklen Blick in ſeine Augen, und zwiſchen
ihren ſchwarzen Wimpern ſchimmerte es wie ſil¬
berner Thau. Er fuͤhlte, daß das wunderſame
Weſen ihm mit Wenigem viel ſagen moͤchte, daß
ſie dem Vertrauten jener ſchmerzlichen Freuden¬
tage ihre tiefbewegte Verwunderung uͤber ſich
ſelbſt, uͤber den Lauf der Welt verſchweigen
mußte. Selbſt verwundert ſtand Heinrich einen
Augenblick zwiſchen zwei reizvollen Weibern, dann
ſah er ſich allein und ſchaute in dem grauen, zum
Theil duͤſteren, zum Theil mit grellem Lichte
durchſtrahlten Raum herum, in welchem ſoeben
ſich kraͤftige und ſchoͤne, gluͤcklich gepaarte Men¬
ſchengeſtalten bewegt hatten.
Er ſah auf die Thuͤr, durch welche ſie ver¬
ſchwunden und welche mit ihrer weißgeſtrichenen
Flaͤche vor ſeinen Augen ſchwirrte und flimmerte
wie eine Leinwand, von welcher mit Einem Zuge
ein lebendiges Gemaͤlde weggewiſcht worden. Er
ſah durch das hohe Fenſter, deſſen untere Haͤlfte
verhuͤllt war, in die leere Luft hinaus, das freund¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/43>, abgerufen am 21.11.2024.
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