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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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den Sonnenschein, der ihm helfen würde. Ueber¬
dies begann er allerlei Unstern zu haben, da er
fortwährend zerstreut war. So trat er eines Ta¬
ges fehl, als er einen steilen Klippenpfad herun¬
tersteigen wollte, und torkelte wie ein Sinnloser
über die Felsen hinunter, daß er nicht wußte, wie
er unten ankam, und ihm die Sinne vergingen
Dies kränkte und schämte ihn so heftig, daß er
elendiglich zu weinen anfing. Ein andermal eilte
und klomm er hastig den Berg hinauf, immer
höher, um weiter in das Land hinauszusehen, als
ob er alsdann Dortchen entdecken könnte, und
als er endlich ganz oben angelangt und sie nir¬
gends sah, legte er sich auf den Boden und
schluchzte jämmerlich und das Unwetter tobte so
heftig in ihm, daß es ihn emporschnellte und her¬
umwarf, wie eine Forelle, die man in's grüne
Gras geworfen hat und die nach Wasser schnap¬
pet. Wiederum ein andermal setzte er sich auf
einen verlassenen Pflug, welcher in einer angefan¬
genen Ackerfurche lag, und machte ein trübseliges
Gesicht; denn er begriff nicht, wie Jemand noch
Freude daran finden könne, zu pflügen, zu säen

den Sonnenſchein, der ihm helfen wuͤrde. Ueber¬
dies begann er allerlei Unſtern zu haben, da er
fortwaͤhrend zerſtreut war. So trat er eines Ta¬
ges fehl, als er einen ſteilen Klippenpfad herun¬
terſteigen wollte, und torkelte wie ein Sinnloſer
uͤber die Felſen hinunter, daß er nicht wußte, wie
er unten ankam, und ihm die Sinne vergingen
Dies kraͤnkte und ſchaͤmte ihn ſo heftig, daß er
elendiglich zu weinen anfing. Ein andermal eilte
und klomm er haſtig den Berg hinauf, immer
hoͤher, um weiter in das Land hinauszuſehen, als
ob er alsdann Dortchen entdecken koͤnnte, und
als er endlich ganz oben angelangt und ſie nir¬
gends ſah, legte er ſich auf den Boden und
ſchluchzte jaͤmmerlich und das Unwetter tobte ſo
heftig in ihm, daß es ihn emporſchnellte und her¬
umwarf, wie eine Forelle, die man in's gruͤne
Gras geworfen hat und die nach Waſſer ſchnap¬
pet. Wiederum ein andermal ſetzte er ſich auf
einen verlaſſenen Pflug, welcher in einer angefan¬
genen Ackerfurche lag, und machte ein truͤbſeliges
Geſicht; denn er begriff nicht, wie Jemand noch
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[415/0425] den Sonnenſchein, der ihm helfen wuͤrde. Ueber¬ dies begann er allerlei Unſtern zu haben, da er fortwaͤhrend zerſtreut war. So trat er eines Ta¬ ges fehl, als er einen ſteilen Klippenpfad herun¬ terſteigen wollte, und torkelte wie ein Sinnloſer uͤber die Felſen hinunter, daß er nicht wußte, wie er unten ankam, und ihm die Sinne vergingen Dies kraͤnkte und ſchaͤmte ihn ſo heftig, daß er elendiglich zu weinen anfing. Ein andermal eilte und klomm er haſtig den Berg hinauf, immer hoͤher, um weiter in das Land hinauszuſehen, als ob er alsdann Dortchen entdecken koͤnnte, und als er endlich ganz oben angelangt und ſie nir¬ gends ſah, legte er ſich auf den Boden und ſchluchzte jaͤmmerlich und das Unwetter tobte ſo heftig in ihm, daß es ihn emporſchnellte und her¬ umwarf, wie eine Forelle, die man in's gruͤne Gras geworfen hat und die nach Waſſer ſchnap¬ pet. Wiederum ein andermal ſetzte er ſich auf einen verlaſſenen Pflug, welcher in einer angefan¬ genen Ackerfurche lag, und machte ein truͤbſeliges Geſicht; denn er begriff nicht, wie Jemand noch Freude daran finden koͤnne, zu pfluͤgen, zu ſaͤen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/425>, abgerufen am 26.11.2024.