war, von welcher man dergleichen sagte; nur be¬ hauptete er für sich, daß er es eben so liebens¬ würdig und angenehm an ihr finden würde, wenn sie eine eifrige Katholikin oder Jüdin wäre. Doch widerfuhr es ihm bei dieser Gelegenheit zum er¬ sten Mal, daß er ohne alle Bedenklichkeit und vielmehr mit ihm selbst wohlthuender Gleichgül¬ tigkeit vom Sein oder Nichtsein dieser Dinge sprechen hörte, und er fühlte ohne Freude und ohne Schmerz, ohne Spott und ohne Schwere die anerzogenen Gedanken von Gott und Unsterb¬ lichkeit sich in ihm lösen und beweglich werden.
Die Welt sah er schon durch Dortchens Au¬ gen an und sie glänzte ihm in der That in stär¬ kerem und tieferem Glanze, und ein süßes Weh durchschauerte ihn, wenn er sich nur die Mög¬ lichkeit dachte, für dies kurze Leben mit Dort¬ chen in dieser schönen Welt zusammen zu sein.
Doch kannegießerte er seit jenem Tage noch öfter mir dem Grafen über den lieben Gott. Der wahrhafte kluge Edelmann lehnte zwar durchaus ab, ihn belehren und überzeugen zu wollen, und wich seinen Anmuthungen gelassen aus. Nur
war, von welcher man dergleichen ſagte; nur be¬ hauptete er fuͤr ſich, daß er es eben ſo liebens¬ wuͤrdig und angenehm an ihr finden wuͤrde, wenn ſie eine eifrige Katholikin oder Juͤdin waͤre. Doch widerfuhr es ihm bei dieſer Gelegenheit zum er¬ ſten Mal, daß er ohne alle Bedenklichkeit und vielmehr mit ihm ſelbſt wohlthuender Gleichguͤl¬ tigkeit vom Sein oder Nichtſein dieſer Dinge ſprechen hoͤrte, und er fuͤhlte ohne Freude und ohne Schmerz, ohne Spott und ohne Schwere die anerzogenen Gedanken von Gott und Unſterb¬ lichkeit ſich in ihm loͤſen und beweglich werden.
Die Welt ſah er ſchon durch Dortchens Au¬ gen an und ſie glaͤnzte ihm in der That in ſtaͤr¬ kerem und tieferem Glanze, und ein ſuͤßes Weh durchſchauerte ihn, wenn er ſich nur die Moͤg¬ lichkeit dachte, fuͤr dies kurze Leben mit Dort¬ chen in dieſer ſchoͤnen Welt zuſammen zu ſein.
Doch kannegießerte er ſeit jenem Tage noch oͤfter mir dem Grafen uͤber den lieben Gott. Der wahrhafte kluge Edelmann lehnte zwar durchaus ab, ihn belehren und uͤberzeugen zu wollen, und wich ſeinen Anmuthungen gelaſſen aus. Nur
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war, von welcher man dergleichen ſagte; nur be¬
hauptete er fuͤr ſich, daß er es eben ſo liebens¬
wuͤrdig und angenehm an ihr finden wuͤrde, wenn
ſie eine eifrige Katholikin oder Juͤdin waͤre. Doch
widerfuhr es ihm bei dieſer Gelegenheit zum er¬
ſten Mal, daß er ohne alle Bedenklichkeit und
vielmehr mit ihm ſelbſt wohlthuender Gleichguͤl¬
tigkeit vom Sein oder Nichtſein dieſer Dinge
ſprechen hoͤrte, und er fuͤhlte ohne Freude und
ohne Schmerz, ohne Spott und ohne Schwere
die anerzogenen Gedanken von Gott und Unſterb¬
lichkeit ſich in ihm loͤſen und beweglich werden.
Die Welt ſah er ſchon durch Dortchens Au¬
gen an und ſie glaͤnzte ihm in der That in ſtaͤr¬
kerem und tieferem Glanze, und ein ſuͤßes Weh
durchſchauerte ihn, wenn er ſich nur die Moͤg¬
lichkeit dachte, fuͤr dies kurze Leben mit Dort¬
chen in dieſer ſchoͤnen Welt zuſammen zu ſein.
Doch kannegießerte er ſeit jenem Tage noch
oͤfter mir dem Grafen uͤber den lieben Gott. Der
wahrhafte kluge Edelmann lehnte zwar durchaus
ab, ihn belehren und uͤberzeugen zu wollen, und
wich ſeinen Anmuthungen gelaſſen aus. Nur
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/394>, abgerufen am 24.11.2024.
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