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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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Hauses. Besonders Dorothea wußte ihn mit der
leichtesten Anmuth in den Irrgärten seines fa¬
natischen Humors umherzuführen, neckend vor
ihm hin zu huschen und durch die verworrenen
Buschwerke seines krausen Witzes zu schlüpfen
Unergründlich war es dabei, ob mehr ihr heiteres
Wohlwollen oder ein bedenklicher Muthwillen im
Spiele lag; denn eben so oft, als sie dem Pfar¬
rer Gelegenheit gab zu glänzen, verlockte sie seine
Eitelkeit auf das Eis, wo sein Witz das Bein
brach.

Heinrich ward hierüber etwas verdutzt und
verwirrt und wußte sich nicht recht in diesen Ton
zu finden, auch wußte er anfangs nicht, warum
es sich handelte, bis eines Mittags, als Doro¬
thea in ebenso zarter als fröhlicher Weise den
Pfarrer verführte, ihr allerlei seltsame und aben¬
teuerliche Beweise für die Unsterblichkeit aufzu¬
zählen, der Graf sagte: "Sie müssen nämlich wis¬
sen, lieber Heinrich, daß Dortchen ganz auf
eigene Faust nicht an die Unsterblichkeit glaubt,
und zwar nicht etwa in Folge angelernter und
gelesener Dinge oder durch meinen Einfluß, son¬

Hauſes. Beſonders Dorothea wußte ihn mit der
leichteſten Anmuth in den Irrgaͤrten ſeines fa¬
natiſchen Humors umherzufuͤhren, neckend vor
ihm hin zu huſchen und durch die verworrenen
Buſchwerke ſeines krauſen Witzes zu ſchluͤpfen
Unergruͤndlich war es dabei, ob mehr ihr heiteres
Wohlwollen oder ein bedenklicher Muthwillen im
Spiele lag; denn eben ſo oft, als ſie dem Pfar¬
rer Gelegenheit gab zu glaͤnzen, verlockte ſie ſeine
Eitelkeit auf das Eis, wo ſein Witz das Bein
brach.

Heinrich ward hieruͤber etwas verdutzt und
verwirrt und wußte ſich nicht recht in dieſen Ton
zu finden, auch wußte er anfangs nicht, warum
es ſich handelte, bis eines Mittags, als Doro¬
thea in ebenſo zarter als froͤhlicher Weiſe den
Pfarrer verfuͤhrte, ihr allerlei ſeltſame und aben¬
teuerliche Beweiſe fuͤr die Unſterblichkeit aufzu¬
zaͤhlen, der Graf ſagte: »Sie muͤſſen naͤmlich wiſ¬
ſen, lieber Heinrich, daß Dortchen ganz auf
eigene Fauſt nicht an die Unſterblichkeit glaubt,
und zwar nicht etwa in Folge angelernter und
geleſener Dinge oder durch meinen Einfluß, ſon¬

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[379/0389] Hauſes. Beſonders Dorothea wußte ihn mit der leichteſten Anmuth in den Irrgaͤrten ſeines fa¬ natiſchen Humors umherzufuͤhren, neckend vor ihm hin zu huſchen und durch die verworrenen Buſchwerke ſeines krauſen Witzes zu ſchluͤpfen Unergruͤndlich war es dabei, ob mehr ihr heiteres Wohlwollen oder ein bedenklicher Muthwillen im Spiele lag; denn eben ſo oft, als ſie dem Pfar¬ rer Gelegenheit gab zu glaͤnzen, verlockte ſie ſeine Eitelkeit auf das Eis, wo ſein Witz das Bein brach. Heinrich ward hieruͤber etwas verdutzt und verwirrt und wußte ſich nicht recht in dieſen Ton zu finden, auch wußte er anfangs nicht, warum es ſich handelte, bis eines Mittags, als Doro¬ thea in ebenſo zarter als froͤhlicher Weiſe den Pfarrer verfuͤhrte, ihr allerlei ſeltſame und aben¬ teuerliche Beweiſe fuͤr die Unſterblichkeit aufzu¬ zaͤhlen, der Graf ſagte: »Sie muͤſſen naͤmlich wiſ¬ ſen, lieber Heinrich, daß Dortchen ganz auf eigene Fauſt nicht an die Unſterblichkeit glaubt, und zwar nicht etwa in Folge angelernter und geleſener Dinge oder durch meinen Einfluß, ſon¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/389>, abgerufen am 24.11.2024.