Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

und die arme todte Mutter auf ihre gute Per¬
son allein die Hoffnungen der Zukunft gegrün¬
det hatte. Aber so eilig ging es zu mit der Ab¬
fahrt, daß ich mich nicht einmal nach den ge¬
naueren Namen erkundigen konnte. Das wurde
rein vergessen und ich erinnerte mich nachher nur,
daß die Leute aus Schwaben gekommen. Von
dem Kinde erfuhr ich, daß es Dortchen heiße, und
so nannte ich es Dortchen Schönfund, als ich
ihm später sein Heimathsrecht bei mir sicherte,
und so wissen wir endlich nur, daß Dortchen
Schönfund hier ein Schwäblein ist! Es nahm
aber von Jahr zu Jahr so sehr und mit solcher
Leichtigkeit zu an Anmuth, Tugend und Sitte,
daß wir die kleine Hexe ohne Wahl vollkom¬
men als die Tochter des Hauses halten und
noch froh sein mußten, wenn sie nicht uns über
den Kopf wuchs in allen guten Dingen. Meine
Schwester, die Adelige, wollte auch durch¬
aus Mittel finden, das Wesen, durch ir¬
gend einen armen Teufel von Grafen zur
Aufrechthaltung dieses alten Castells zu verwen¬
den, aber wie gesagt, hieran ist mir nichts

und die arme todte Mutter auf ihre gute Per¬
ſon allein die Hoffnungen der Zukunft gegruͤn¬
det hatte. Aber ſo eilig ging es zu mit der Ab¬
fahrt, daß ich mich nicht einmal nach den ge¬
naueren Namen erkundigen konnte. Das wurde
rein vergeſſen und ich erinnerte mich nachher nur,
daß die Leute aus Schwaben gekommen. Von
dem Kinde erfuhr ich, daß es Dortchen heiße, und
ſo nannte ich es Dortchen Schoͤnfund, als ich
ihm ſpaͤter ſein Heimathsrecht bei mir ſicherte,
und ſo wiſſen wir endlich nur, daß Dortchen
Schoͤnfund hier ein Schwaͤblein iſt! Es nahm
aber von Jahr zu Jahr ſo ſehr und mit ſolcher
Leichtigkeit zu an Anmuth, Tugend und Sitte,
daß wir die kleine Hexe ohne Wahl vollkom¬
men als die Tochter des Hauſes halten und
noch froh ſein mußten, wenn ſie nicht uns uͤber
den Kopf wuchs in allen guten Dingen. Meine
Schweſter, die Adelige, wollte auch durch¬
aus Mittel finden, das Weſen, durch ir¬
gend einen armen Teufel von Grafen zur
Aufrechthaltung dieſes alten Caſtells zu verwen¬
den, aber wie geſagt, hieran iſt mir nichts

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0362" n="352"/>
und die arme todte Mutter auf ihre gute Per¬<lb/>
&#x017F;on allein die Hoffnungen der Zukunft gegru&#x0364;<lb/>
det hatte. Aber &#x017F;o eilig ging es zu mit der Ab¬<lb/>
fahrt, daß ich mich nicht einmal nach den ge¬<lb/>
naueren Namen erkundigen konnte. Das wurde<lb/>
rein verge&#x017F;&#x017F;en und ich erinnerte mich nachher nur,<lb/>
daß die Leute aus Schwaben gekommen. Von<lb/>
dem Kinde erfuhr ich, daß es Dortchen heiße, und<lb/>
&#x017F;o nannte ich es Dortchen Scho&#x0364;nfund, als ich<lb/>
ihm &#x017F;pa&#x0364;ter &#x017F;ein Heimathsrecht bei mir &#x017F;icherte,<lb/>
und &#x017F;o wi&#x017F;&#x017F;en wir endlich nur, daß Dortchen<lb/>
Scho&#x0364;nfund hier ein Schwa&#x0364;blein i&#x017F;t! Es nahm<lb/>
aber von Jahr zu Jahr &#x017F;o &#x017F;ehr und mit &#x017F;olcher<lb/>
Leichtigkeit zu an Anmuth, Tugend und Sitte,<lb/>
daß wir die kleine Hexe ohne Wahl vollkom¬<lb/>
men als die Tochter des Hau&#x017F;es halten und<lb/>
noch froh &#x017F;ein mußten, wenn &#x017F;ie nicht uns u&#x0364;ber<lb/>
den Kopf wuchs in allen guten Dingen. Meine<lb/>
Schwe&#x017F;ter, die Adelige, wollte auch durch¬<lb/>
aus Mittel finden, das We&#x017F;en, durch ir¬<lb/>
gend einen armen Teufel von Grafen zur<lb/>
Aufrechthaltung die&#x017F;es alten Ca&#x017F;tells zu verwen¬<lb/>
den, aber wie ge&#x017F;agt, hieran i&#x017F;t mir nichts<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[352/0362] und die arme todte Mutter auf ihre gute Per¬ ſon allein die Hoffnungen der Zukunft gegruͤn¬ det hatte. Aber ſo eilig ging es zu mit der Ab¬ fahrt, daß ich mich nicht einmal nach den ge¬ naueren Namen erkundigen konnte. Das wurde rein vergeſſen und ich erinnerte mich nachher nur, daß die Leute aus Schwaben gekommen. Von dem Kinde erfuhr ich, daß es Dortchen heiße, und ſo nannte ich es Dortchen Schoͤnfund, als ich ihm ſpaͤter ſein Heimathsrecht bei mir ſicherte, und ſo wiſſen wir endlich nur, daß Dortchen Schoͤnfund hier ein Schwaͤblein iſt! Es nahm aber von Jahr zu Jahr ſo ſehr und mit ſolcher Leichtigkeit zu an Anmuth, Tugend und Sitte, daß wir die kleine Hexe ohne Wahl vollkom¬ men als die Tochter des Hauſes halten und noch froh ſein mußten, wenn ſie nicht uns uͤber den Kopf wuchs in allen guten Dingen. Meine Schweſter, die Adelige, wollte auch durch¬ aus Mittel finden, das Weſen, durch ir¬ gend einen armen Teufel von Grafen zur Aufrechthaltung dieſes alten Caſtells zu verwen¬ den, aber wie geſagt, hieran iſt mir nichts

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/362
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/362>, abgerufen am 27.11.2024.