laut: "Ich glaube wenigstens zu sehen, daß ich Sie nicht ernstlich beleidigt habe, mein Fräulein! -- Was jene Anzüglichkeiten betrifft in meinem Geschreibsel über die adelige und bürgerliche Herkunft, so glaube ich nicht, daß ich sie jetzt noch machen würde; denn ich habe seither ge¬ lernt, daß Jeder seine Würde am füglichsten wahrt, wenn er Andere vor allen Dingen als Menschen betrachtet und gelten läßt und dann sich gar nicht mit ihnen vergleicht und abwägt, haben sie auch welche Stellung und Meinungen sie wollen, sondern auf sich selbst ruht, sich nicht verblüffen läßt, aber auch nicht darauf ausgeht, Andere zu verblüffen, denn dies ist immer unhöf¬ lich und von ordinärer Art. So gestehe ich, daß ich die jetzige Beschämung vollkommen ver¬ dient habe, indem ich mich doch verlocken ließ, die vermeintlich stolze Gräfin abtrumpfen zu wol¬ len, anstatt sie in ihrer Art und Weise un¬ geschoren zu lassen! Uebrigens ist Ihre Ab¬ kunft doch noch die vornehmste, denn Sie kommen so recht unmittelbar aus Gottes wei¬ ter Welt und man kann sich ja die hochge¬
laut: »Ich glaube wenigſtens zu ſehen, daß ich Sie nicht ernſtlich beleidigt habe, mein Fraͤulein! — Was jene Anzuͤglichkeiten betrifft in meinem Geſchreibſel uͤber die adelige und buͤrgerliche Herkunft, ſo glaube ich nicht, daß ich ſie jetzt noch machen wuͤrde; denn ich habe ſeither ge¬ lernt, daß Jeder ſeine Wuͤrde am fuͤglichſten wahrt, wenn er Andere vor allen Dingen als Menſchen betrachtet und gelten laͤßt und dann ſich gar nicht mit ihnen vergleicht und abwaͤgt, haben ſie auch welche Stellung und Meinungen ſie wollen, ſondern auf ſich ſelbſt ruht, ſich nicht verbluͤffen laͤßt, aber auch nicht darauf ausgeht, Andere zu verbluͤffen, denn dies iſt immer unhoͤf¬ lich und von ordinaͤrer Art. So geſtehe ich, daß ich die jetzige Beſchaͤmung vollkommen ver¬ dient habe, indem ich mich doch verlocken ließ, die vermeintlich ſtolze Graͤfin abtrumpfen zu wol¬ len, anſtatt ſie in ihrer Art und Weiſe un¬ geſchoren zu laſſen! Uebrigens iſt Ihre Ab¬ kunft doch noch die vornehmſte, denn Sie kommen ſo recht unmittelbar aus Gottes wei¬ ter Welt und man kann ſich ja die hochge¬
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laut: »Ich glaube wenigſtens zu ſehen, daß ich
Sie nicht ernſtlich beleidigt habe, mein Fraͤulein!
— Was jene Anzuͤglichkeiten betrifft in meinem
Geſchreibſel uͤber die adelige und buͤrgerliche
Herkunft, ſo glaube ich nicht, daß ich ſie jetzt
noch machen wuͤrde; denn ich habe ſeither ge¬
lernt, daß Jeder ſeine Wuͤrde am fuͤglichſten
wahrt, wenn er Andere vor allen Dingen als
Menſchen betrachtet und gelten laͤßt und dann
ſich gar nicht mit ihnen vergleicht und abwaͤgt,
haben ſie auch welche Stellung und Meinungen
ſie wollen, ſondern auf ſich ſelbſt ruht, ſich nicht
verbluͤffen laͤßt, aber auch nicht darauf ausgeht,
Andere zu verbluͤffen, denn dies iſt immer unhoͤf¬
lich und von ordinaͤrer Art. So geſtehe ich,
daß ich die jetzige Beſchaͤmung vollkommen ver¬
dient habe, indem ich mich doch verlocken ließ,
die vermeintlich ſtolze Graͤfin abtrumpfen zu wol¬
len, anſtatt ſie in ihrer Art und Weiſe un¬
geſchoren zu laſſen! Uebrigens iſt Ihre Ab¬
kunft doch noch die vornehmſte, denn Sie
kommen ſo recht unmittelbar aus Gottes wei¬
ter Welt und man kann ſich ja die hochge¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/359>, abgerufen am 23.11.2024.
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