ßes Glas voll aus und sah nun dem Treiben der Frauenzimmer zu. Die Gärtnerstochter stand bei der Herrntochter, welche am Tische saß, und indem sie kurzweilig und vertraulich plauderten, half jene dieser in ihrer Hantirung und reichte ihr was sie bedurfte. Der große Tisch war ganz mit Gegenständen bedeckt, worunter vorzüglich allerlei Gefäße und Gläser hervorragten, welche sämmtlich mit Blumen angefüllt waren, die im Wasser standen. Meistens waren es Spätrosen und die Sträuße, große und kleine, befanden sich im verschiedensten Zustande, so daß man sah, daß es die Ergebnisse vieler Tage waren und auch der älteste Strauß noch mit Liebe erhalten und gepflegt wurde, so hinfällig er auch aussah. Da Heinrich sah, daß die heutigen Blumen vom Kirchhofe sogleich in ein Glas gestellt worden, so vermuthete er, daß alle Blumen von den Grä¬ bern herrührten, und dachte sich, die Schöne müsse eine liebevolle Freundin und Pflegerin der Todten sein, was ihr um so mehr Reiz verlieh, als sie eine Gräfin und die draußen Liegenden sämmtlich Bauern und Unterthanen waren.
ßes Glas voll aus und ſah nun dem Treiben der Frauenzimmer zu. Die Gaͤrtnerstochter ſtand bei der Herrntochter, welche am Tiſche ſaß, und indem ſie kurzweilig und vertraulich plauderten, half jene dieſer in ihrer Hantirung und reichte ihr was ſie bedurfte. Der große Tiſch war ganz mit Gegenſtaͤnden bedeckt, worunter vorzuͤglich allerlei Gefaͤße und Glaͤſer hervorragten, welche ſaͤmmtlich mit Blumen angefuͤllt waren, die im Waſſer ſtanden. Meiſtens waren es Spaͤtroſen und die Straͤuße, große und kleine, befanden ſich im verſchiedenſten Zuſtande, ſo daß man ſah, daß es die Ergebniſſe vieler Tage waren und auch der aͤlteſte Strauß noch mit Liebe erhalten und gepflegt wurde, ſo hinfaͤllig er auch ausſah. Da Heinrich ſah, daß die heutigen Blumen vom Kirchhofe ſogleich in ein Glas geſtellt worden, ſo vermuthete er, daß alle Blumen von den Graͤ¬ bern herruͤhrten, und dachte ſich, die Schoͤne muͤſſe eine liebevolle Freundin und Pflegerin der Todten ſein, was ihr um ſo mehr Reiz verlieh, als ſie eine Graͤfin und die draußen Liegenden ſaͤmmtlich Bauern und Unterthanen waren.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0321"n="311"/>
ßes Glas voll aus und ſah nun dem Treiben<lb/>
der Frauenzimmer zu. Die Gaͤrtnerstochter ſtand<lb/>
bei der Herrntochter, welche am Tiſche ſaß, und<lb/>
indem ſie kurzweilig und vertraulich plauderten,<lb/>
half jene dieſer in ihrer Hantirung und reichte<lb/>
ihr was ſie bedurfte. Der große Tiſch war ganz<lb/>
mit Gegenſtaͤnden bedeckt, worunter vorzuͤglich<lb/>
allerlei Gefaͤße und Glaͤſer hervorragten, welche<lb/>ſaͤmmtlich mit Blumen angefuͤllt waren, die im<lb/>
Waſſer ſtanden. Meiſtens waren es Spaͤtroſen<lb/>
und die Straͤuße, große und kleine, befanden ſich<lb/>
im verſchiedenſten Zuſtande, ſo daß man ſah, daß<lb/>
es die Ergebniſſe vieler Tage waren und auch<lb/>
der aͤlteſte Strauß noch mit Liebe erhalten und<lb/>
gepflegt wurde, ſo hinfaͤllig er auch ausſah. Da<lb/>
Heinrich ſah, daß die heutigen Blumen vom<lb/>
Kirchhofe ſogleich in ein Glas geſtellt worden,<lb/>ſo vermuthete er, daß alle Blumen von den Graͤ¬<lb/>
bern herruͤhrten, und dachte ſich, die Schoͤne<lb/>
muͤſſe eine liebevolle Freundin und Pflegerin der<lb/>
Todten ſein, was ihr um ſo mehr Reiz verlieh,<lb/>
als ſie eine Graͤfin und die draußen Liegenden<lb/>ſaͤmmtlich Bauern und Unterthanen waren.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[311/0321]
ßes Glas voll aus und ſah nun dem Treiben
der Frauenzimmer zu. Die Gaͤrtnerstochter ſtand
bei der Herrntochter, welche am Tiſche ſaß, und
indem ſie kurzweilig und vertraulich plauderten,
half jene dieſer in ihrer Hantirung und reichte
ihr was ſie bedurfte. Der große Tiſch war ganz
mit Gegenſtaͤnden bedeckt, worunter vorzuͤglich
allerlei Gefaͤße und Glaͤſer hervorragten, welche
ſaͤmmtlich mit Blumen angefuͤllt waren, die im
Waſſer ſtanden. Meiſtens waren es Spaͤtroſen
und die Straͤuße, große und kleine, befanden ſich
im verſchiedenſten Zuſtande, ſo daß man ſah, daß
es die Ergebniſſe vieler Tage waren und auch
der aͤlteſte Strauß noch mit Liebe erhalten und
gepflegt wurde, ſo hinfaͤllig er auch ausſah. Da
Heinrich ſah, daß die heutigen Blumen vom
Kirchhofe ſogleich in ein Glas geſtellt worden,
ſo vermuthete er, daß alle Blumen von den Graͤ¬
bern herruͤhrten, und dachte ſich, die Schoͤne
muͤſſe eine liebevolle Freundin und Pflegerin der
Todten ſein, was ihr um ſo mehr Reiz verlieh,
als ſie eine Graͤfin und die draußen Liegenden
ſaͤmmtlich Bauern und Unterthanen waren.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/321>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.