Nicht zehnmal Aergeres hat mir gebührt, Gerecht ist mir die Schale zugemessen! Doch zehnmal bittrer hab ich sie verspürt, Als ich im Glück zu träumen mir vermessen!
Doch zehnmal leichter bring' ich sie zum Mund, Als die Erinn'rung einst sich noch entsinnet; Der quellenklare Perltrank ist gesund, Ich lieb' ihn drum und weiß woher er rinnet!
Wenn er aber in dies Wesen sich recht hin¬ eingegrämt hatte, wobei ihn die traurigsten Er¬ lebnisse unterstützten, die nicht erbaulich zu be¬ schreiben wären, die er aber anfing mit Lust in sich hineinzutrinken, so schrieb er plötzlich voll guten Muthes, einem frischen Lufthauch Raum gebend:
Ein Meister bin ich worden, Zu tragen Gram und Leid, Und meine Kunst zu leiden Wird mir zur Seligkeit.
Doch fühl' ich auch zum Glücke In mir die volle Kraft Und werde leichtlich üben Die schön're Meisterschaft!
Nicht zehnmal Aergeres hat mir gebuͤhrt, Gerecht iſt mir die Schale zugemeſſen! Doch zehnmal bittrer hab ich ſie verſpuͤrt, Als ich im Gluͤck zu traͤumen mir vermeſſen!
Doch zehnmal leichter bring' ich ſie zum Mund, Als die Erinn'rung einſt ſich noch entſinnet; Der quellenklare Perltrank iſt geſund, Ich lieb' ihn drum und weiß woher er rinnet!
Wenn er aber in dies Weſen ſich recht hin¬ eingegraͤmt hatte, wobei ihn die traurigſten Er¬ lebniſſe unterſtuͤtzten, die nicht erbaulich zu be¬ ſchreiben waͤren, die er aber anfing mit Luſt in ſich hineinzutrinken, ſo ſchrieb er ploͤtzlich voll guten Muthes, einem friſchen Lufthauch Raum gebend:
Ein Meiſter bin ich worden, Zu tragen Gram und Leid, Und meine Kunſt zu leiden Wird mir zur Seligkeit.
Doch fuͤhl' ich auch zum Gluͤcke In mir die volle Kraft Und werde leichtlich uͤben Die ſchoͤn're Meiſterſchaft!
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Nicht zehnmal Aergeres hat mir gebuͤhrt,
Gerecht iſt mir die Schale zugemeſſen!
Doch zehnmal bittrer hab ich ſie verſpuͤrt,
Als ich im Gluͤck zu traͤumen mir vermeſſen!
Doch zehnmal leichter bring' ich ſie zum Mund,
Als die Erinn'rung einſt ſich noch entſinnet;
Der quellenklare Perltrank iſt geſund,
Ich lieb' ihn drum und weiß woher er rinnet!
Wenn er aber in dies Weſen ſich recht hin¬
eingegraͤmt hatte, wobei ihn die traurigſten Er¬
lebniſſe unterſtuͤtzten, die nicht erbaulich zu be¬
ſchreiben waͤren, die er aber anfing mit Luſt in
ſich hineinzutrinken, ſo ſchrieb er ploͤtzlich voll
guten Muthes, einem friſchen Lufthauch Raum
gebend:
Ein Meiſter bin ich worden,
Zu tragen Gram und Leid,
Und meine Kunſt zu leiden
Wird mir zur Seligkeit.
Doch fuͤhl' ich auch zum Gluͤcke
In mir die volle Kraft
Und werde leichtlich uͤben
Die ſchoͤn're Meiſterſchaft!
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/277>, abgerufen am 25.11.2024.
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