"Teufel," rief Heinrich, "ich werde gleich morgen hier herausgehen und mir einige Staffeln aufklopfen!" und er konnte seine Blicke nicht weg¬ wenden von der langen Treppe, die sich schon glänzend hinter ihm den Berg hinaufwand. Er war jetzt unten bei der Brücke angekommen; das war aber nicht mehr die alte hölzerne Brücke, sondern ein marmorner Palast, welcher in zwei Stockwerken eine unabsehbare Säulenhalle bildete und so als eine niegesehene Prachtbrücke über den Fluß führte. "Was sich doch Alles verändert und vorwärts schreitet, wenn man nur einige Jahre weg ist!" sagte Heinrich, als er gemäch¬ lich in die weite Brückenhalle hineinritt. Während das Gebäude von außen nur in weißem, rothem und grünem Marmor glänzte, allerdings in den herrlichsten Verhältnissen und Gliederungen, waren die Wände inwendig mit zahllosen Malereien be¬ deckt, welche die ganze fortlaufende Geschichte und alle Thätigkeiten des Landes darstellten. Hirten und Jäger, Bauern und Pfaffen, Staatsmänner, Künstler, Handwerker, Schiffer, Kaufleute, Gemsjäger, Mönche, Jünglinge und
»Teufel,« rief Heinrich, »ich werde gleich morgen hier herausgehen und mir einige Staffeln aufklopfen!« und er konnte ſeine Blicke nicht weg¬ wenden von der langen Treppe, die ſich ſchon glaͤnzend hinter ihm den Berg hinaufwand. Er war jetzt unten bei der Bruͤcke angekommen; das war aber nicht mehr die alte hoͤlzerne Bruͤcke, ſondern ein marmorner Palaſt, welcher in zwei Stockwerken eine unabſehbare Saͤulenhalle bildete und ſo als eine niegeſehene Prachtbruͤcke uͤber den Fluß fuͤhrte. »Was ſich doch Alles veraͤndert und vorwaͤrts ſchreitet, wenn man nur einige Jahre weg iſt!« ſagte Heinrich, als er gemaͤch¬ lich in die weite Bruͤckenhalle hineinritt. Waͤhrend das Gebaͤude von außen nur in weißem, rothem und gruͤnem Marmor glaͤnzte, allerdings in den herrlichſten Verhaͤltniſſen und Gliederungen, waren die Waͤnde inwendig mit zahlloſen Malereien be¬ deckt, welche die ganze fortlaufende Geſchichte und alle Thaͤtigkeiten des Landes darſtellten. Hirten und Jaͤger, Bauern und Pfaffen, Staatsmaͤnner, Kuͤnſtler, Handwerker, Schiffer, Kaufleute, Gemsjaͤger, Moͤnche, Juͤnglinge und
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»Teufel,« rief Heinrich, »ich werde gleich
morgen hier herausgehen und mir einige Staffeln
aufklopfen!« und er konnte ſeine Blicke nicht weg¬
wenden von der langen Treppe, die ſich ſchon
glaͤnzend hinter ihm den Berg hinaufwand. Er
war jetzt unten bei der Bruͤcke angekommen; das
war aber nicht mehr die alte hoͤlzerne Bruͤcke,
ſondern ein marmorner Palaſt, welcher in zwei
Stockwerken eine unabſehbare Saͤulenhalle bildete
und ſo als eine niegeſehene Prachtbruͤcke uͤber den
Fluß fuͤhrte. »Was ſich doch Alles veraͤndert
und vorwaͤrts ſchreitet, wenn man nur einige
Jahre weg iſt!« ſagte Heinrich, als er gemaͤch¬
lich in die weite Bruͤckenhalle hineinritt. Waͤhrend
das Gebaͤude von außen nur in weißem, rothem
und gruͤnem Marmor glaͤnzte, allerdings in den
herrlichſten Verhaͤltniſſen und Gliederungen, waren
die Waͤnde inwendig mit zahlloſen Malereien be¬
deckt, welche die ganze fortlaufende Geſchichte
und alle Thaͤtigkeiten des Landes darſtellten.
Hirten und Jaͤger, Bauern und Pfaffen,
Staatsmaͤnner, Kuͤnſtler, Handwerker, Schiffer,
Kaufleute, Gemsjaͤger, Moͤnche, Juͤnglinge und
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/249>, abgerufen am 24.11.2024.
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